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Lerne inspirierende Frauen weltweit kennen.

Welche Bedeutung haben Haare?
Fünf unserer Korrespondentinnen berichten

Um die Frisur machen sich in Afrika die meisten Frauen fast genauso viele Gedanken wie um ihre Kinder. Fotos: Simone Schlindwein

In Deutschland gehen die meisten regelmäßig zum Friseur, doch wie ist das in anderen Ländern? Unsere Korrespondentinnen berichten aus Kampala, Tel Aviv, Neu-Delhi, Kairo und Yangon darüber welche Rolle Haare in ihrer Region spielen. Denn: Es gibt große Unterschiede. 

Simone

Von Simone Schlindwein, Kampala

An jeder Straßenecke, selbst in den entlegensten Seitengassen afrikanischer Großstädte findet man sie: Friseure. Viele dieser Salons haben Tag und Nacht geöffnet, selbst sonntags – und die meisten Frauen verbringen pro Monat oft einen ganzen Tag, sozusagen „unter der Haube“.

Ob arm oder reich, jung oder alt – um die Frisur machen sich in Afrika die meisten Frauen fast genauso viele Gedanken wie um die Gesundheit ihrer Kinder. Und so sind die Friseursalons in Afrika oft mehr als nur die Holzhütte, in der die krausen Kopfhaare geglättet, geflochten oder künstlich verlängert werden. Es sind soziale Institutionen, in welchen Frauen sich regelmäßig treffen, tratschen, Probleme wälzen und die neuesten Trends setzen.

Friseursalons sind aber auch Zentren, in denen die Globalisierung in Afrika deutlich sichtbar wird – nicht nur was Schönheitstrends anbelangt, sondern auch die wirtschaftliche Integration des Kontinents in den Welthandel. Bis heute erkennt man an der Haarpracht afrikanischer Frauen das Erbe des Kolonialismus.

In den abgelegenen Dschungeldörfern der Demokratischen Republik Kongo oder in den Wüsten des Südsudans sieht man sie noch: die traditionellen Frisuren, die sich je nach ethnischer Zugehörigkeit oder Clan unterscheiden: kraus und kurz oder lang in abstehenden Zöpfen oder Knoten. Einst war die Haartracht ein wesentliches Herkunftsmerkmal und damit automatisch auch für die Männer wichtig bei der Brautwahl.

Haare

In den Städten und mittlerweile auch in den Dörfern Ostafrikas hängen heute an den Wänden der Friseursalons unterschiedlichste Varianten von Haarverlängerungen. Kunst- oder Echthaar, vom Pferd oder gar vom Mensch: Hauptsache glatt muss es sein. Dabei gibt es eine enorme Bandbreite – vor allem im Preis. Synthetische Strähnen können umgerechnet nur ein paar Euro kosten, für unbehandeltes Echthaar als Verlängerung oder gar Perücke muss frau schon bis zu hundert Euro oder mehr hinlegen. Eine nigerianische Sängerin hat im Interview zugegeben, sie habe sich für umgerechnet fast 2.000 Euro eine Echthaarperücke anfertigen lassen. Sprich: Auch heute ist das, was frau auf dem Kopf trägt, noch immer ein Statussymbol.

Doch viel mehr ist es auch ein Wirtschaftszweig geworden, in dem enorm viel Geld umgesetzt wird und globale Handelsströme sichtbar werden: Das meiste Haar, ob synthetisch oder echt, kommt aus Asien nach Afrika. Das teure menschliche Echthaar stammt aus Indien, oft aus den Hindu-Tempeln, wo Köpfe geschoren werden. Synthetisches Haar wird in China hergestellt.

Haar ist eines der Haupt-Importprodukte der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Afrikanische Haar-Händler kaufen oft bis zu hundert Kilo in Dubai, dem Handelsknotenpunkt zwischen Asien und Afrika, ein. Eine jüngste Studie schätzt: Im Jahr 2017 wird das Handelsvolumen für Haare in Afrika bis auf 230 Milliarden Euro anwachsen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 5,4 Prozent.

Neu ist, dass jetzt in Afrika selbst lokale Hersteller das Haar für sich entdeckt haben und damit den Weltmarktgiganten L’Oreal und Unilever Konkurrenz machen. In Uganda produziert die Firma „Darling Hair“ Kunsthaar für ganz Ost- und Zentralafrika und unterhält damit rund 200 Arbeitsplätze – die meisten Angestellten sind Frauen.


MareikeVon Mareike Enghusen, Tel Aviv

Wie so vieles im Heiligen Land ist weibliche Haarmode bis in die Spitzen mit Symbolik aufgeladen. Die meisten Musliminnen tragen Kopftuch und sind damit schon von weitem als Angehörige der arabischen Minderheit zu erkennen – was in Israel auch eine politische Bedeutung hat, ob die Trägerin das nun beabsichtigt oder nicht. Gerade für viele jüngere Musliminnen fungiert das Tuch allerdings nicht nur als Symbol ihres Glaubens, sondern auch als Modeaccessoire, in Farbe und Material sorgfältig abgestimmt auf das übrige Outfit.

Auch orthodoxe jüdische Frauen verbergen ihr Haar – allerdings erst nach der Hochzeit. So signalisieren sie der Außenwelt, dass sie vergeben sind und beweisen die „Tzniut“ – „Sittsamkeit“ – die das jüdische Gesetz vorschreibt. Ultraorthodoxe Jüdinnen wickeln sich ein Tuch um den Kopf und knoten es im Nacken oder sie setzen eine Perücke auf. Letzteres erscheint vielen Außenstehenden absurd – schließlich kann es bei älteren Frauen durchaus sein, dass das volle, glänzende Kunsthaar attraktiver ist als, was darunter versteckt ist. Die Idee dahinter: Nur das lebendige Haar der Frau ist so sinnlich, dass es vor fremden Blicken geschützt werden muss. Unter Rabbinern ist das Tragen von Perücken umstritten, unter orientalischstämmigen Juden gar nicht üblich.

So lässt die Kopfbedeckung auch Rückschlüsse auf die Herkunft zu: Perückenträgerinnen gehören in der Regel zu den Aschkenasim, den europäischen Juden. In manchen ultraorthodoxen Gruppierungen ist es sogar üblich, dass Frauen ihr Haar unter dem Kopftuch komplett abrasieren – sozusagen für ein Maximum an Keuschheit. Sogenannte modern-orthodoxe Jüdinnen dagegen, die die Bekleidungsregeln lockerer auslegen, tragen oft nur einen Hut, eine Mütze oder ein Tuch, das nur einen Teil des Haares bedeckt.

Außerhalb der religiösen Gemeinschaften folgen die Haarmoden in Israel anderen Gesetzen. Ob jüdisch, muslimisch oder christlich geboren: Frauen, in deren Leben die Religion keine große Rolle spielt, orientieren sich an den Moden des Westens. Böse Zungen behaupten jedoch, dass auch die Frisuren säkularer Frauen etwas über deren Herkunft verraten: Wer sich die Haare beispielsweise wasserstoffblond färben lässt, wird zielsicher als russische Einwanderin identifiziert.


Lea GölnitzVon Lea Gölnitz, Neu-Delhi

Haare stehen für Sinnlichkeit und Schönheit, werden aber auch als Symbol der Eitelkeit gesehen. In mehreren Tempeln vor allem im Süden Indiens opfern Frauen ihre Haare. Damit opfern sie einen Teil ihrer Schönheit.

Sie lassen sich den Kopf scheren um den Göttern für etwas zu danken, wie zum Beispiel das Überstehen einer Krankheit. Einige traditionelle Hindu-Witwen lassen sich auch nach dem Tod ihres Ehemanns den Kopf rasieren, um Demut zu zeigen. Unklar ist inwiefern die Frauen wissen was mit ihrem Haar passiert. Schließlich ist Indien der größte Echt-Haar-Exporteur der Welt. Die Tempel verkaufen die Haare für Perücken und Haarverlängerungen über Haar-Export-Firmen weltweit. Es ist ein Millionen-Geschäft.

Die Branche nennt Wachstumsraten von zehn bis 30 Prozent. Der „Tirumala Tirupati Tempel“ in Andhra Pradesh ist mit mehreren Millionen Besuchern im Jahr die größte Pilgerstätte für Haaropferung. Der Tempel macht einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro und hat vor ein paar Jahren mit Online-Auktionen begonnen. 2014 hat der Tempel an einem Tag 109 Tonnen Haar verkauft.

Haar-Export-Firmen wie „Raj Hair International“ werben mit „pure Indian virgin hair“, das noch nie mit Chemikalien behandelt wurde. Besonders begehrt ist das Haar von Dorffrauen, die weder moderne Haarprodukte benutzen, noch ihr Haar färben. Die meisten Frauen behandeln ihr Haar nur mit Kokosöl und waschen es mit Seife. Moderne Frauen in Großstädten lassen ihre Haare im Schönheitssalon behandeln oder tragen Kurzhaarfrisuren – uninteressant für die Exporteure. Einige machen sich allerdings Sorgen um ihre Zukunft: Indien werde moderner, säkularer und konsumorientierter. Wie viele Frauen opfern dann noch nach einer langen Pilgerreise ihre Haare in einem Tempel?


SabineVon Sabine Rossi, Kairo

„Entschuldigt“, sagt die Trainerin im Frauen-Fitnessstudio in Kairo, „gleich kommt der Mechaniker, um die Geräte zu überprüfen.“ Und – zack – verschwindet die Mehrheit der Frauen, die eben noch in Hotpants und mit Trägertop auf dem Laufband standen, in der Umkleidekabine. Wenig später kommen sie mit sorgfältig gebundenem Kopftuch wieder heraus.

Anders als in Iran ist es in Ägypten nicht vorgeschrieben, ein Kopftuch zu tragen. Die meisten Ägypterinnen entscheiden sich dennoch dafür. Auf dem Land ist das Kopftuch immer noch Tradition. Außerdem bietet es Schutz gegen die Sonne. Das Kopftuch, das die Bäuerinnen tragen, ist deshalb auch eher schlicht, praktisch und alltagstauglich.

In einer Großstadt wie Kairo ist es zusätzlich ein modisches Statement. Im Internet finden sich Anleitungen zum Kopftuch binden. Zu jeder Kopfform gibt es das passende Modell – eines, das verspricht, die runden Wangen schlanker wirken zu lassen und eines, das ein langes Gesicht sanft umspielt. Viele Frauen wählen ihr Kopftuch passend zum Outfit. Dann ist alles perfekt aufeinander abgestimmt: Das Tuch, das Make-up, die Tasche, der Nagellack.

Taghreeb, zarter rosa Lippenstift, hat ihr rosa Kopftuch auf einer Seite zu einer Blume gebunden: „Ich benötige dafür gar nicht viel Zeit – vielleicht drei Minuten.“ Lange ist es nicht her als Taghreeb und ihre Freundinnen morgens vor dem Spiegel überlegten, wie bunt ihr Kopftuch sein darf. Während der Zeit als Mohammed Mursi Präsident in Ägypten war trugen viele Frauen dunkle Farben. Einige verdeckten ihr Gesicht zusätzlich mit einem Schleier.

In Ägypten tragen heute weit mehr Frauen das Kopftuch als noch vor zwanzig Jahren. Auch daran merkt man: Die Gesellschaft wird zunehmend konservativ. Millionen Ägypter arbeiteten in den Ländern am Golf und brachten von dort eine strenge Auslegung des Korans mit in ihre Heimat. Darüber hinaus unterstützen die Golfstaaten Wohlfahrtsvereine in der islamischen Welt – viele von ihnen geleitet von Salafisten, die mit den Spenden ihre Ideologie verbreiten. Und die besagt, unter anderem, dass Frauen sich entsprechend ihrer „Fähigkeiten“ ausschließlich der Rolle als Hausfrau und Mutter widmen sollen, möglichst vollverschleiert.


VerenaVon Verena Hölzl, Yangon

Unter Yangons Expats ist es momentan der letzte Schrei sich die Haare waschen zu lassen. „Was bitte?“ war meine erste Reaktion, als mir eine Freundin gestand, dass sie sich ihr Haar inzwischen gar nicht mehr selber waschen will und stattdessen am liebsten täglich in den Beauty Salon bei ihr um die Ecke ginge.

Die Prozedur dauert ungefähr eine Stunde und kostet umgerechnet rund zwei Euro. Man wird horizontal auf einer weichen Liege gebettet und dann beginnt das Schaum-Festival, das wenig mit dem Geknete zu tun hat was man zuhause jeden Morgen unter der Dusche am eigenen Kopf veranstaltet. Gekonnt massierte mich meine Friseurin ausführlich von den Schläfen bis in den Nacken. Wie oft mir bei meinem ersten Test das Haar gewaschen wurde, kann ich nicht mehr sagen. Nach den ersten drei Durchgängen bin ich in einen seligen Schlaf verfallen.

Was Expats unerhört luxuriös erscheint, ist unter Burmesen keineswegs dekadent. Burmesische Badezimmer besitzen oft nur Tonnen mit kaltem Wasser, das mit Plastikschalen geschöpft und über den Kopf gegossen wird. Wer das einmal ausprobiert hat, weiß: Eine ordentliche Haarwäsche ist damit ein ziemliches Abenteuer.

Myanmar war fast ein halbes Jahrhundert lang eine von der Außenwelt abgeschottete Militärdiktatur. Das konservierte Land hat in Sachen Modernität deshalb einiges aufzuholen. Kurzhaarfrisuren bei Frauen etwa sind noch immer selten. Dafür scheinen die Herren der Schöpfung ihrem Revoluzzertum gerne am Kopf Ausdruck zu verleihen. Lange Mähnen, wilde Färbungen und interessante Zöpfchen gehören zumindest in der Metropole Yangon zum Straßenbild.

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Marinela PotorDetroit
Mittelgroß, schmale Hüften, kleiner Po, leicht rundlicher Busen: Das ist nach wie vor das dominierende weibliche Schönheitsideal in den USA. Es klingt wie eine Klischee-Beschreibung einer westeuropäischen Frau. Viele Amerikanerinnen kämpfen damit – bis sie erkennen: Sie sind nicht das Problem. 
Heike PapenfussValencia / München
Während der Franco-Diktatur wurden in Spanien unzähligen Müttern ihre Babys genommen und an Adoptiveltern verkauft. Noch bis Anfang der 80er Jahre verdienten Ärzte, Notare, Pfarrer und Nonnen an diesem Kinderhandel. Die Rede ist von geschätzt 300.000 betroffenen Kindern. Es ist auch die Geschichte von Susi Cervera und Sonia Espinosa.

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