Ein frischer Gründungswind weht durch die deutsche Medienszene: Unsere Gastautorin erzählt von den Chancen des Unternehmertums für Medienmacherinnen.
Von Carolin Neumann, Hamburg
Selbständige sind die glücklicheren Medienmacher. Das ist eines von vielen Ergebnissen einer nicht repräsentativen, aber trotzdem sehr anschaulichen Befragung über die Arbeitsbedingungen in der Medienbranche. Herausgegeben von dem Startup Skjlls, zeichnet der Report ein eher tristes Bild für festangestellte Autoren, Designer oder Programmierer: Sie empfinden ihren Job als weniger attraktiv und haben weniger Spannung in ihrem beruflichen Alltag. Dafür bekommen sie in Dreiviertel der Fälle nicht mal einen Ausgleich für die vielen geleisteten Überstunden und klagen über planlose Vorgesetzte und schlechtes Projektmanagement.
Zugegeben: Ob in diesem Report oder in der Welt da draußen, auch für Selbständige ist nicht immer alles rosig. Doch wer einmal die Vorteile genossen hat, will häufig nicht mehr zurück. Medienunternehmerin Gabriele Fischer etwa, die Ende der Neunziger Jahre „brand eins“ gründete, sagt, dass selbständig sein trotz allen Stresses „ein Gefühl von Freiheit gebiert, das ich nicht mehr missen möchte“. Die wenigsten Selbstständigen seien „resozialisierbar“, meint sie.
Fischer und ihr „brand eins“ sind eine von mehreren Erfolgsgeschichten der letzten 20 Medienjahre, die sich parallel zum traditionellen Verlags- und Rundfunkwesen entfalteten. Sie sind der Beweis, dass Gründen im deutschen Journalismus nicht erst eine Erfindung aus diesem Jahrzehnt ist. Dennoch: Seit zwei, drei Jahren herrscht endlich die Aufbruchstimmung, die die Medienwissenschaft seit Jahren versucht, herbeizuschreiben.
Motiviert durch neue digitale Möglichkeiten und / oder frustriert von den Verlagen, verlassen Journalisten ihr vertrautes Terrain und gründen selbst Medienunternehmen, zuletzt zum Beispiel zwei Journalisten aus dem Hause Gruner+Jahr, die mit „Substanz“ ein digitales Wissenschaftsmagazin schufen. Oder der Chefredakteur der kontrovers diskutierten „Krautreporter“, der vorher in klassischen Print-Führungspositionen war. In den letzten Jahren schossen Indie-Magazine mit hippen Namen wie „Päng!“ oder „The Germans“, hyperlokale Nachrichtenseiten wie „Hamburg Mittendrin“ oder „Prenzlauer Berg Nachrichten“ und auch experimentelle Onlineformate wie Pilze aus dem Boden. Nur: Vieles davon war, ist und bleibt wohl ein Hobby seiner Macher.
Hier genau hier setzt das Jouvenir Ideencamp an, das ich im Oktober veranstalte: Journalisten mit einer Projekt- oder Gründungsidee lernen, wie sie aus ihrem Hobby ein Produkt mit Geschäftsmodell entwickeln. Nach dem Prinzip des „Design Thinking“ werden Ideen weiterentwickelt und Journalisten mit ihren Zielgruppen konfrontiert. Denn viele Vorhaben wachsen auch deswegen nicht, weil sie Liebhaberei sind. Unternehmertum aber, selbst wenn mit Leidenschaft ausgefüllt, ist mehr als Liebhaberei. Man muss die Zielgruppe seines Produktes kennen.
Etwas, das zum Beispiel das „Missy Magazine“ äußerst erfolgreich geschafft hat. Die Gründerinnen hatten 2008 die Idee für ein feministisches Popkulturmagazin, das sie vor allem selbst lesen wollten. Doch sie erkannten darin eine Zielgruppe, die bisher niemand identifiziert hatte und schufen ein Heft, das sich von allem abhob, was es sonst für Frauen auf dem Markt gab. Keine Diättipps, keine Konformität, sondern frei Schnauze. Die Macherinnen pflegten schon damals eine Einstellung, die in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen ist: keine Angst vorm Scheitern zu haben. „Was hätte schon passieren können, außer dass wir pleitegehen?“, fragte Stefanie Lohaus, eine der Gründerinnen, vor einigen Jahren im Interview.
Und gerade für Journalistinnen ist das Unternehmertum eine große Chance.
Zum einen, um ein anderes Frauenbild in der Gesellschaft zu prägen: durch die Inhalte, die sie machen, aber auch durch die Vorbildfunktion, die sie durch eine Gründung unweigerlich einnehmen und auch wahrnehmen sollten. Und zum anderen natürlich für sie selbst. Denn wer mal einen Blick in die Chefetagen der Redaktionen oder auf die Bühnen von Medienkonferenzen wirft, kann sich vorstellen, wie schwer es für Frauen immer noch ist, in Führungspositionen aufzusteigen. Und wenn frau als Innovationstreiberin und exzellente Managerin im Unternehmen an gläserne Decken klopft und häufig nicht wirklich was bewegen kann, dann kann sie es auch auf eigene Faust versuchen – und es dann besser machen.
Auf eigene Faust hat es auch Katarzyna Mol-Wolf geschafft. 2006 übernahm die Chefredakteurin der „Emotion“ das Magazin im ersten Management-Buy-out der Firmengeschichte von Gruner+Jahr. Inzwischen hat sich um das Heft der Verlag „Inspiring Network“ gebildet, der gleich mehrere Titel herausgibt. Das Thema ist auch hier wieder eines für eine weibliche Zielgruppe und durch die Augen arbeitender Frauen gedacht. Für viel Gesprächsstoff in einem ähnlichen Segment sorgt seit letztem Jahr das Onlinemagazin „Edition F“, wohl auch, weil die sympathischen Gründerinnen Susann Hoffmann und Nora Vanessa Wohlert eine gute Story um sich selbst und ihr Startup gestrickt haben.
Die Voraussetzungen sind optimal für Frauen, ihren Unternehmenstraum zu verwirklichen. Auch für Männer, klar, aber traditionell muss man das denen nicht so nahelegen wie Frauen. Pauschal gesprochen: Frauen sind häufig so perfektionistisch, dass sie sich selbst im Weg stehen und netzwerken oft weniger strategisch. Dabei ist gerade für Frauen das Thema Gründen relevanter als für andere.
Zum Beispiel: Wenn eine Journalistin die Hochphasen der Digitalisierung verpasst hat, weil sie die Kinder großzog. Da sich der Wiedereinstieg enorm schwierig gestalten kann, könnte eine eigene Gründung eine großartige Alternative bieten. Auch weil das Unternehmertum – bei aller Verantwortung – Freiheiten bietet, die in der heutigen Arbeitswelt einfach noch nicht angekommen sind. Mal früher gehen oder Home Office machen, wenn das Kind krank ist? Wer seine eigene Chefin ist, muss da nicht mit sturen Vorgesetzten debattieren.
Nicht der geringste Vorteil ist übrigens auch das Geld, jedenfalls perspektivisch. Laut der zu Beginn erwähnten Skjlls-Befragung erhalten Frauen in der Medienbranche ein Drittel weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Wer das ändern will, kann das Internet mit Beschwerden vollschreiben – oder einfach selbst gründen und sich selbst und andere fair bezahlen. Sobald mal Geld reinkommt, versteht sich.