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Tabuthema Wechseljahre
Widerstand in den USA

12. März 2025 | Von Marinela Potor | 12 Minuten Lesezeit
Immer mehr Frauen brechen in den USA das Tabu über die Menopause. Foto: Kateryna Hliznitsova / Unsplash

Die Wechseljahre galten lange als Tabu-Thema in den USA. Doch das ändert sich. Karin Giblin ist seit über 30 Jahren eine Wegbereiterin dieser Entwicklung. Mit ihrer Organisation „Red Hot Mamas“ leitet sie das größte Aufklärungsprogramm zur Menopause in den USA.  

Von Marinela Potor, Detroit

 

Zusammenfassung:

In den USA brechen Frauen zunehmend das Schweigen über die Wechseljahre. Aktivistinnen wie Karin Giblin setzen sich seit Jahrzehnten für mehr Aufklärung ein. Mit ihrer Organisation „Red Hot Mamas“ leitet sie das größte Menopause-Programm des Landes, das Frauen mit Wissen und Gemeinschaft unterstützt. Während Stars das Thema auf Social Media populär machen, bleibt die medizinische Forschung lückenhaft. Giblin kämpft für politische Veränderungen – denn keine Frau sollte diese Lebensphase allein durchstehen müssen.

 

6.000 pro Tag und 1,3 Millionen im Jahr – so viele Frauen beginnen im Schnitt ihre Menopause in den USA. Etwa 70 Prozent dieser Frauen spüren in der Übergangsphase starke Symptome wie Herzflattern, Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme oder Depressionen. Doch obwohl Millionen von Amerikanerinnen davon betroffen sind, herrscht um das Thema ein großes Tabu, das jetzt erst allmählich aufbricht.  

„Es gibt eine Kultur des Schweigens über diese Lebensphase, manchmal sogar eine Geheimhaltung, die Frauen uninformiert zurücklässt. Sie haben keine Ahnung, was sie zu erwarten haben, wenn die Menopause eintritt, oder wie sie mit ihrem Verlauf umgehen können“, erklärt Karin Giblin.  

Die „Red Hot Mamas“ bringen Frauen in den USA und Kanada zusammen, um über die Wechseljahre zu sprechen und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. I Foto: Red Hot Mamas

Giblin spricht aus eigener Erfahrung. Nach einer Hysterektomie, einer Operation, bei der ihre Gebärmutter und Eierstöcke entfernt wurden, kam sie 1991 mit 41 Jahren frühzeitig und vehement in die Wechseljahre. Nahezu über Nacht machten sich bei ihr Hitzewallungen, Nachtschweiß, Herzflattern und Vergesslichkeit bemerkbar. Giblin war verwirrt über das, was plötzlich mit ihrem Körper passierte.  

„Das alles kam sehr überraschend. Ich war gerade in meiner dritten Amtszeit im Stadtrat von Ridgefield in Connecticut und mitten bei der Arbeit verspürte ich Hitzewallungen oder konnte mich nicht mehr an Mitteilungen erinnern, die ich gerade gelesen hatte.“ Karin Giblin war all dies vor allem peinlich. Sie versuchte, ihre Symptome so gut es ging zu verbergen.  

Herauszufinden, was genau mit ihr passierte, war zudem gar nicht so leicht. Sie erinnert sich daran, wie es zu dieser Zeit nur ein Buch zu dem Thema gab, „Östrogen: Ja oder nein“ von Morris Notelovitz, einem führenden Forscher zu den Effekten der Wechseljahre in dieser Zeit. Notelovitz war in den 1980er Jahren ebenfalls Vorstandsvorsitzender des Internationalen Menopause Gesellschaft, einer Stiftung, die seit ihrer Gründung 1978 lediglich vier Frauen an der Spitze hatte.  

 

Die Wechseljahre können 10 bis 15 Jahre dauern und werden in vier Phasen unterteilt.  

  1. Prämenopause: Diese beginnt in der Regel ab dem 40. Lebensjahr einer Frau, wenn der Körper beginnt, die Produktion der Hormone Progesteron und Östrogen herunterzufahren. Das kann zu ersten unregelmäßigen Zyklen führen. Typische Symptome sind erhöhte Reizbarkeit, Gewichtszunahme oder Schilddrüsenprobleme. 
  1. Perimenopause: Dies ist der Zeitraum zwischen einem und zwei Jahren vor der letzten Regelblutung. Die Periodenblutungen werden schwächer, die Abstände größer und viele Frauen verspüren schon Symptome wie Hitzewallungen, Nachtschweiß oder eine schwächelnde Libido.  
  1. Menopause: Die Menopause tritt dann ein, wenn eine Frau ihre letzte Regelblutung bekommt und damit keine Kinder mehr bekommen kann. Dies kann erst rückwirkend festgestellt werden, nachdem die Periode zwölf Monate lang ausgeblieben ist. Frauen erleben die Menopause im Schnitt mit 51 Jahren. 
  1. Postmenopause: Diese Phase beginnt ein Jahr nach der letzten Periodenblutung. Weil die Östrogenkonzentration sinkt, bemerken einige Frauen neue Symptome wie Antriebslosigkeit oder Schlafstörungen.  

In den USA gibt es keinen vergleichbaren Begriff für „Wechseljahre“. Häufig wird im regulären Sprachgebrauch der Ausdruck „durch die Menopause gehen“ für diesen Zeitraum verwendet.  

 

Stigma um die Wechseljahre 

Es ist nicht überraschend, dass ein so weibliches Feld lange von Männern dominiert wurde. „An der Menopause kreuzen sich Altersdiskriminierung, Ableismus und Frauenfeindlichkeit, weshalb sie immer noch im Dunkeln gehalten und als lächerlich oder schamhaft gehandelt wird“, sagt Tania Glydie. Glydie praktiziert Psychotherapie und hat sich auf die Wechseljahre in der LGBTQ-Community spezialisiert.  

Dies wiederum spiegelt sich auch in der Tendenz wider, die Wechseljahre als zehrende Krankheit zu bezeichnen, bekräftigt Jen Gunter, Frauenärztin und Autorin der Bücher „Das Menopause Manifest“ und „Die Vagina-Bibel“. „Die Menopause wurde lange als Vortod, als Metamorphose von einer Frau zu einem alten Weib betrachtet. Das liegt daran, dass der Wert einer Frau an ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen, gemessen wurde. Damit wird Weiblichkeit in einem sehr engen, frauenfeindlichen Standard definiert.“  

Es ist also nicht überraschend, dass auch Karin Giblin dieses Stigma spürte, als sie sich das Buch von Morris Notelovitz besorgte. „Ich hatte es unter einem Stapel Zeitschriften versteckt, als ich es kaufte, so sehr habe ich mich geschämt.“ Wie viele Frauen hätte sie ihre Wechseljahre vermutlich schweigend ertragen. Doch dann passierte etwas Unerwartetes.  

Karen Giblin / Red Hot Mamas

Die größte Aufklärungskampagne im Land 

In der kleinen Stadt mit damals rund 20.000 Einwohner*innen hatte sich die Hysterektomie der Stadträtin herumgesprochen. „Frauen aus dem Ort fingen an, mich anzurufen und mir Fragen über meine Menopause zu stellen. Da wurde mir klar, dass ich Führungsstärke zeigen musste. Ich wollte anderen Frauen die Antworten geben, die ich nicht bekommen konnte.“  

Gemeinsam mit der örtlichen Krankenpflegegesellschaft entwickelte sie ein Aufklärungsprogramm. 50 Frauen kamen zur ersten Veranstaltung. Doch die Nachfrage war so groß, dass Giblin ihren Radius schnell ausweitete. „Immer mehr Krankenhäuser baten mich darum, die Inhalte bei ihnen anzubieten. Ich nannte es Red Hot Mamas und der Rest ist Geschichte.“  

250 Krankenhäuser haben das Konzept von Giblin adaptiert. Es gilt als das größte Aufklärungsprogramm zu den Wechseljahren in den USA. Das Programm deckt verschiedene Bereiche ab wie Hormontherapie, Brustgesundheit, Schilddrüsenbeschwerden oder Diabetis.  

Darüber hinaus bietet „Red Hot Mamas“ auf seiner Website kostenlos Informationen und fachliche Beratung für Frauen. Giblin und ihr Team richten darüber hinaus regelmäßig Veranstaltungen in den USA und Kanada aus, unter anderem mit prominenter Unterstützung wie von Moderatorin Oprah Winfrey

Menopause als neuer Social-Media-Trend 

Auch nach mehr als 30 Jahren sieht Giblin weiterhin Bedarf an Aufklärungsarbeit, obwohl es für Frauen mittlerweile mehr Ressourcen gibt. „Damals hatten wir keine Informationen. Jetzt schwirrt insbesondere in den sozialen Medien so viel herum, dass es schwierig ist, alles einzuordnen. Was ist wissenschaftlich fundiert, was ist heiße Luft?“  

Tatsächlich sind die Wechseljahre in den vergangenen Jahren zum Trend-Thema in den USA geworden. Durch Hollywood-Stars wie Drew Barrymore, Halle Berry oder Naomi Watts, die öffentlich über ihre Symptome sprechen, ist die Materie verstärkt ins Rampenlicht gerückt. Das hat das Thema nicht nur in den sozialen Medien viral gehen lassen, sondern auch dazu geführt, dass Frauen in den Wechseljahren als neue, lukrative Zielgruppe erkannt wurden. 

Zahlreiche Marken bieten neuerdings speziell entwickelte Produkte wie Abkühlsprays, Lotionen gegen Gelenkschmerzen oder Gesichtscremes an. Karin Giblin sieht diesen Trend auch als Vorteil, um das Thema mehr in das Bewusstsein von Frauen zu bringen. Sie empfiehlt Frauen, sich bei offiziellen Stellen wie der Menopause Society anstatt auf Social Media zu informieren. 

Mit Veranstaltungen wie dem Wettbewerb „Bra-ha-ha“ (BH-ha-ha) verbreiten die „Red Hot Mamas“ Humor zur Menopause
I Foto: Red Hot Mamas

Mangelnde Unterstützung 

Doch auch wenn Frauen in den USA jetzt vermehrt und mit weniger Scham über die Wechseljahre sprechen, haben Ärzt*innen nicht immer Antworten auf ihre Fragen. Denn der Stand der Wissenschaft zu den Wechseljahren ist eher dünn. Das hat verschiedene Ursachen. So gelten die Wechseljahre als nicht so lukrativ wie etwa Fruchtbarkeit. Das macht es schwierig, Gelder für Studien zu bekommen und die Forschung voranzutreiben.  

Zusätzlich erschwert wird dies dadurch, dass es für die erforderlichen Tierstudien neben Menschen nur wenige andere Arten gibt, die die Wechseljahre erleben, wie die Stachelmaus. Auch in der medizinischen Ausbildung wird wenig zu den Wechseljahren gelehrt, was wiederum mitunter daran liegt, dass es wenige wissenschaftliche Arbeiten dazu gibt. Forscher*innen wie Fabrisia Ambrosio versuchen diesen Kreislauf zu durchbrechen. Denn die Wissenslücke zum Thema beeinträchtigt die Gesundheit von Frauen nachhaltig, wie Ambrosio mit mehreren Wissenschaftlerinnen in einer gemeinsamen Studie aufzeigt.  

Demnach haben 70 Prozent der häufigsten altersbedingten Krankheiten bei Frauen mit dem Fortpflanzungssystem zu tun. Dennoch machen Studien dazu weniger als ein Prozent der wissenschaftlichen Publikationen aus. Um dies zu ändern, schlagen Ambrosio und ihre Kolleginnen unter anderem vor, langfristige Effekte der Fortpflanzung mit in Analysen einzubeziehen, mehr Studien zum weiblichen Altern durchzuführen und die weibliche Stachelmaus näher zu untersuchen.  

Mehr wissenschaftliche Anstrengungen zu den Wechseljahren forderte 2024 ebenfalls eine Gruppe von US-Senatorinnen. Mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf wollten sie die Forschung rund um die Wechseljahre auch politisch fördern. Doch der Vorschlag bekam nicht genug Stimmen und unter der neuen Trump-Regierung erwarten Gesundheitsbehörden wie das National Institute of Health Kürzungen.  

Karin Giblin glaubt trotzdem, dass die Politik langfristig etwas verändern kann und wird. Sie selbst ist aktuell daran beteiligt, ein Gesetz für bessere Bedingungen am Arbeitsplatz für Frauen in den Wechseljahren auf den Weg zu bringen. 

Mit Humor und Stil helfen sie durch die Wechseljahre.I Foto: Red Hot Mamas

Keine Frau sollte die Wechseljahre alleine erleben 

Neben Hilfe von außen ist ein weiterer Aspekt für Frauen in den Wechseljahren besonders wichtig: ein innerer Kreis. Denn die hormonalen Veränderungen können sehr intensiv sein und die Lebensqualität stark beeinträchtigen – und das über viele Jahre hinweg. Keine Frau sollte damit isoliert bleiben, so Giblin. Deshalb möchte sie mit ihrer Arbeit nicht nur aufklären, sondern ebenfalls eine Gemeinschaft für Frauen schaffen.  

„Das ist ein zentraler Aspekt. Viele Frauen glauben, sie seien allein mit dem, was sie erleben. Doch Millionen von Frauen machen das Gleiche durch. Warum sollten wir uns nicht zusammentun?“ Denn letztlich seien die Wechseljahre eine natürliche Phase im Leben einer Frau. Diese sollten Frauen auch mit Neugierde und einer positiven Einstellung angehen, meint Giblin. „Mir hat Humor in dieser Zeit geholfen, um mir so mit einem Zwinkern in den Augenfältchen meinen Optimismus zu bewahren.“  

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Von Marinela Potor, Detroit

Marinela Potor arbeitet als freie Redakteurin für Online, Print und Radio. Ihre Themenschwerpunkte sind Wissenschaft, Green Tech und der digitale Wandel. Von 2017 bis 2021 war sie Chefredakteurin von Mobility Mag. Aktuell lebt sie in Deutschland und den USA und berichtet von dort vor allem über gesellschaftliche und technologische Trends.

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Die Wechseljahre galten lange als Tabu-Thema in den USA. Doch das ändert sich. Karin Giblin ist seit über 30 Jahren eine Wegbereiterin dieser Entwicklung. Mit ihrer Organisation „Red Hot Mamas“ leitet sie das größte Aufklärungsprogramm zur Menopause in den USA.  

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