Frauen im Militär waren lange ein Tabu. Erst im 20. Jahrhundert setzten langsam Änderungen ein – russische Frauen kämpften etwa im Zweiten Weltkrieg als Scharfschützinnen. Heute lassen die meisten Armeen Frauen zu; Einschränkungen gibt es nach wie vor bei der Beteiligung an Kampfhandlungen. Eine Wehrpflicht für Frauen besteht in elf Ländern, etwa China, Norwegen oder Israel.
Von Carolin Küter, Lyon
“Schmeckt die Suppe gut, mein General?“, fragt der Reporter aus dem Off. „Nicht nur das, auch die Croutons sind frisch.“ Es ist 1976. Valérie André ist die erste Frau, die in Frankreich den Generalstitel erhält. Die Ärztin und Pilotin wird für ihre Verdienste in den Kolonialkriegen im heutigen Vietnam und Algerien ausgezeichnet. Der Reporter begleitet „Madame Le Général“ vom Mittagessen, das sie für sich und ihren Mann zubereitet hat, auf die Militärbasis und befragt sie im Hubschrauber zur Frauenfeindlichkeit im französischen Militär: „Die Armee ist nicht frauenfeindlicher als viele andere Bereiche auch“, sagt sie, während sie routiniert den Steuerknüppel bewegt.
Die Meinung einer Pionierin in einer Armee, die heute eine der weiblichsten der Welt ist. Das französische Militär hat aktuell einen Frauenanteil von 15 Prozent. Nur in Israel, Ungarn und den USA dienen mehr weibliche Soldaten. Seit 1976 sind auf André zahlreiche Pionierinnen gefolgt, wie französische Medien dokumentieren: Zum Beispiel Anne Cullerre. Sie trägt drei von fünf Sternen auf der Schulter, stand bereits an der Spitze der Truppen in Französisch-Polynesien und ist seit Mai Vize-Admiralin in der Marine. Das ist laut dem Militärjournalisten Jean-Marc Tanguy der bisher höchste Posten, den eine Frau im französischen Militär jemals hatte. Und immer mehr Soldatinnen machen steile Karrieren. Im Januar übernahm erstmals eine Frau das Kommando über eine Fregatte. 2010 schaffte es erstmals eine Fallschirmjägerin in ein Kommando für Spezialkräfte.
Doch die zahlreichen Artikel über diese Soldatinnen zeigen: Frauen, die es ganz nach oben schaffen, bleiben eine Ausnahme. Zwar sind 14 Prozent der Offiziere weiblich. Bei Auslandseinsätzen und in Kampfeinheiten sind jedoch kaum Frauen vertreten. So waren laut einem Bericht einer parlamentarischen Gleichstellungskommission 2014 nur sechs Prozent der Soldaten in Operationen jenseits der französischen Grenzen weiblich. Bei der Artillerie kämpfen demnach vier Prozent Frauen, in den Panzertruppen sind es sogar nur 0,5 Prozent. Der Bericht beschreibt weiter, dass der Frauenanteil im Heer mit 8,5 Prozent besonders niedrig sei. Denn mit den Bodentruppen verbinde man „das Bild eines Kämpfers, der mit den Füßen im Matsch steckt und das Gewehr auf dem Rücken hat“, zitieren die Autoren eine Soldatin. Die Marine hat einen Frauenanteil von zehn Prozent, die Luftwaffe 12,5 Prozent.
Die meisten Frauen arbeiten im Sanitätsdienst: Hier stellen sie über die Hälfte der Angestellten. Kein Wunder, denn dort sind sie schon seit über 100 Jahren vertreten, so Tanguy. Zunächst sollten sie nur für die Dauer des Ersten Weltkrieges als Krankenschwestern dienen dürfen. Doch dann beschleunigte der Zweite Weltkrieg die Öffnung der Armee für Frauen. Seit 1972 standen ihnen per Gesetz im Militär auf dem Papier die gleichen Rechte zu wie den Männern. Der Dienst an der Waffe und eine Offizierslaufbahn war für die meisten Frauen jedoch durch Quotenregelungen lange Zeit nicht möglich. In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr Militärschulen für Frauen geöffnet. 1998 wurden alle Quotenregelungen, die den Frauenanteil in der Armee reglementieren sollten, abgeschafft. Heute gibt es nur noch einen Bereich, der eine Männerbastion geblieben ist: Die U-Boot-Flotte. Doch auch das soll sich ändern. 2017 dürfen drei Soldatinnen erstmals in einem Pilotprojekt den Dienst auf einem Militär-U-Boot antreten.
Von Lea Gölnitz, Neu-Delhi
Mit 1.129.900 aktiven Soldaten und 960.000 Reservisten ist die indische Armee eine der größten der Welt. Da es keine Militärpflicht gibt, ist sie auch gleichzeitig die größte Freiwilligenarmee weltweit. Von den rund 1,3 Millionen aktiven Soldaten liegt der Anteil von weiblichen Streitkräften bei 2,5 Prozent. Frauen dürfen seit dem Beginn der 1990er-Jahre als Offiziere dienen, allerdings nicht an der Front. Das soll sich bald ändern. Ab Juni 2017 sollen Frauen probeweise auch Kampfeinsätze für die Luftwaffe fliegen dürfen.
Nicht alle sind von diesem Vorstoß begeistert. „Sogar in den USA und in England dürfen Frauen nicht an die Front. Gleichberechtigung ist ja schön und gut, aber irgendwo sollte eine Grenze sein“, erklärte ein Offizier der Hindustan Times, als das neue Gesetz auf den Weg gebracht wurde.
Frauen wünschen sich, wenigstens die Wahl zu haben, sich am direkten Kampfeinsatz zu beteiligen. Das Hauptproblem sehen die Soldatinnen allerdings darin, dass ihnen nicht die gleichen Karriereoptionen offenstehen. Die große Mehrheit der Frauen sind sogenannte Short Service Commission Officers, die fünf bis 14 Jahre dienen und in der militärischen Hierarchie nicht weiter aufsteigen können. Sie fordern mehr Frauen in der Position des Permanent Commission Officers – und zwar in allen Bereichen des Militärs. Dies ist ihnen erst seit 2010 gestattet.
Als die erste, ausschließlich aus indischen Soldatinnen bestehende Einheit im Frühjahr 2016 von ihrer UN Mission in Liberia zurückkehrte waren die Reaktionen überwiegend positiv. Die Frauen wurden 2007 für Polizeischulungen und die Bewachung des Präsidentenpalastes von Ellen Johnson Sirleaf in Monrovia stationiert. „Wenn die Friedenstruppen nur aus Männern bestehen, sind Frauen eingeschüchtert. Soldatinnen sind weniger aggressiv”; berichtete die Oberoffizierin Abraham der Times of India nach ihrer Rückkehr.
Laut einem Bericht bei NDTV waren es die Patrouillen der indischen Soldatinnen, die dazu beigetragen haben, dass die Zahl der gewalttätigen Überfälle zurückging. Die Polizei von Monrovia rechnet auch den Anstieg der zur Anzeige gebrachten Fälle von sexueller Gewalt dem positiven Einfluss der indischen Truppe an. Gleichzeitig würden sich mehr Frauen für Posten bei der Polizei in Liberia bewerben.
Den Historiker Gerard DeGroot wundert das nicht. „Wenn Frauen als Soldatinnen präsent sind, spiegelt das die Realität wider und Männer verhalten sich besser. Ein Konflikt, in dem nur männliche Soldaten involviert sind, ist wie ein Urlaub von der Realität. Wenn Frauen dabei sind, hat das einen zivilisierenden Effekt.“
Das indische Kontingent kam in Liberia nicht ganz ohne Männer aus. Die 103 Soldatinnen wurden von 22 Männern als Köche, Fahrer und Mechaniker unterstützt.
Von Veronika Hartmann, Istanbul
Schwarze Uniform, schwarze, Stiefel, ein gerader Blick aus tiefschwarzen Augen in die Kamera: Das ist „Kara Fatma“, zu Deutsch „die schwarze, die entschlossene Fatma“, eine der Heldinnen des türkischen Befreiungskriegs, der 1923 mit der Ausrufung der Republik endete. Sie hatte bereits während der Balkankriege an der Seite ihres Gatten für das Osmanische Reich gekämpft. Deswegen forderte sie auch, als ihr Land erneut unter Beschuss stand, keinen geringeren als den zukünftigen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk auf, dass er sie an die Front berufen möge – was er prompt tat. 43 Frauen und 700 Männer standen unter Leutnant Kara Fatmas Kommando.
Dabei waren Frauen damals im Militär nicht üblich und auch wenn Kara Fatma nicht das einzige Beispiel couragierter Kriegerinnen im Befreiungskampf war, so hat sich das Prinzip Frau im Militär in der Türkei trotz ihrer Vorbildfunktion nicht durchgesetzt.
Zwar gilt in der Türkei eine Wehrpflicht für alle wehrtauglichen Männer, Frauen jedoch steht der Dienst an der Waffe erst seit Beginn der 1990er-Jahre frei. Ezra Özatay ist Majorin und stammt aus einem der allerersten Jahrgänge, in denen Frauen an die Militärakademien aufgenommen wurden. Heute ist sie bei der Luftwaffe und erste Flottenkommandeurin in der sonst noch immer männlich geprägten türkischen Armee. Sie berichtet: „Anfangs wurde ich anders behandelt, weil ich eine Frau bin. So, wie man sich der Mutter oder Schwester gegenüber verhält eben. Aber im Laufe der Zusammenarbeit, wenn man viel miteinander erlebt hat, dann fällt es den Kollegen gar nicht mehr auf, dass sich eine Frau bin.“ Wenn man der Majorin zuhört, erkennt man, dass es für sie selbstverständlich ist zu fliegen, Pilotin und Soldatin zu sein. Sie bezeichnet es als ihren „Lebensstil“ und glaubt nicht, dass sie sich von ihren männlichen Kollegen unterscheidet.
Diesen „Lebensstil“ genießen in der Türkei offensichtlich nur die wenigsten Frauen. Das Militär in dem streng muslimischen Land ist fest in Männerhand. Im Offiziersrang sind nur rund 0,034 Prozent Frauen. Als einfache Soldatinnen kann man gar nicht zum Militär, sondern nur in die höhere Laufbahn und auf die Militärakademien. Allerdings hat es heute noch keine bis in den Rang der Admiralin oder Generälin geschafft.
Vielleicht wird sich das ja in Zukunft ändern. Immerhin finden derzeit tiefgreifende Veränderungen innerhalb der Armee statt. Seit dem Militärputsch im Jahr 1980 fordert die Zivilgesellschaft, dass die Vormachtstellung und Privilegien der Kasernen abgebaut werden und langsam wurde dieser Prozess in Gang gesetzt. Jetzt, nach dem gescheiterten Staatsstreich vom 15. Juli, hat diese Entwicklung rasant an Fahrt gewonnen. Es gibt bereits erste Überlegungen von Seiten des Verteidigungsministeriums, Rekrutinnen zuzulassen. Immerhin ist eines sicher: Solange im Land ein blutiger Bürgerkrieg tobt, der täglich das Leben von Uniformierten und Zivilisten fordert, und in den Nachbarländern Syrien und Irak ebenfalls kein Frieden abzusehen ist, wird Bedarf an kampfbereiten Personen bestehen.
Von Sophia Boddenberg, Santiago de Chile
In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Frauen beim chilenischen Militär stark gestiegen. Zu den chilenischen Streitkräften, den „Fuerzas Armadas de Chile“, gehören das Heer, die Marine, die Luftwaffe und die Polizei. Seit 1974 ist Frauen der Zutritt erlaubt, aber sie übernahmen lange Zeit eher Dienste wie Krankenschwester oder -pflegerin. Heute können sich Frauen freiwillig für den Dienst an der Waffe entscheiden, für Männer gilt die allgemeine Wehrpflicht. Auch Offizierslaufbahnen können Frauen einschlagen.
Einem Bericht des Verteidigungsministeriums zufolge machen Frauen rund 13 Prozent des Personals der Streitkräfte aus. Diese Entwicklung ist Michelle Bachelet zu verdanken, die im Jahr 2002 als erste chilenische Frau das Amt der Verteidigungsministerin übernahm und heute die erste Präsidentin des Landes ist. Als sie ihr Amt als Verteidigungsministerin antrat, stand sie einer Armee vor, die größtenteils von Personen geführt wurde, die den blutigen Militärputsch und die darauffolgende Diktatur unter General Augusto Pinochet aktiv unterstützt hatten und für tausende Morde und zehntausende Folteropfer verantwortlich waren.
Bachelet ist außerdem geschäftsführende Direktorin der UN-Frauen-Organisation UN Women. Durch sie erhielt die Gleichberechtigungs- und Integrationspolitik im chilenischen Militär neuen Antrieb. Mit zahlreichen Kampagnen, wie zum Beispiel „1000 Rekrutinnen, um Chile zu dienen“ wurde der freiwillige Militärdienst für Frauen beworben. Mit Erfolg: Die Rekrutierung von Frauen stieg von 300 auf 1200 zwischen 2005 und 2009. Es existieren jedoch immer noch Dienstränge, die für Frauen nicht erreichbar sind, da ihr Einsatz in direkten Kampfsituation kontrovers diskutiert wird.