Gegen Rassismus und Diskriminierung, dafür mit genderneutraler Sprache – so wollen die Texte des neuen digitalen Jugendmagazins „Brause*Mag“ daherkommen. Die Gründerinnen zielen damit vor allem auf Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren.
Von Pauline Tillmann, Berlin
Kristin Lein kämpft sich mit ihrem roten Wuschelkopf durch einen stürmischen Morgen in Berlin. Wir können uns treffen, weil die 32-Jährige heute ausnahmsweise keine Vorlesung hat. Eigentlich studiert sie im letzten Semester Kultur- und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. Wenn alles so klappt wie geplant, hat sie im Herbst ihren Bachelor in der Tasche. Es ist nicht ihr erster Versuch, das Studium durchzuziehen. Aber als alleinerziehende Mutter mit einer zwölfjährigen Tochter ist es nicht gerade einfach, nebenbei zu studieren. Um die Miete bezahlen zu können, verkauft sie nebenbei T-Shirts, wie sie auf der Homepage brausemag.de offenherzig preisgibt.
Doch insgeheim träumt sie seit Jahren davon, ein eigenes Jugendmagazin zu starten. Über Twitter hat sie ihre Mitgründerinnen Melanie Trommer und Sarah Rudolph kennengelernt – gemeinsam entwickelten sie die Idee für „Brause*Mag“. Weil alle drei Kinder, Beruf oder Studium vereinbaren müssen, hat es einige Zeit gedauert, bis sie die Webseite endlich auf die Beine gestellt haben. „Ich bin eindeutig nicht die Zielgruppe, aber meine Tochter ist es. Außerdem hätte ich mir so etwas immer für mich selber gewünscht“, erzählt Kristin Lein. Immer wieder habe ihre Tochter entweder die Zeitschrift „hey!“ oder eben die „Bravo“ gekauft – „aber die finde ich beide ganz furchtbar und wollte ihr eine echte Alternative anbieten“, so die Berlinerin.
Als Vorbilder nennt sie die US-amerikanischen Hefte „Rookie Mag“ und die „Teen Vogue“. Lein sagt, es gehe darum, Artikel zu schreiben, bei denen die Jugendlichen ernst genommen würden und nicht von oben herab irgendwelche Ratschläge aufgedrückt bekämen. Außerdem wolle man langfristig auch Jugendliche soweit schulen, dass sie selbst Artikel schreiben könnten. Stichwort Inklusion. Den Name „Brause*Mag“ wählten die drei Gründerinnen, weil Brause „so ein schöner alter Begriff“ und immer bunt sei. So seien schließlich auch die Themen, über die sie berichten: bunt und vielfältig.
Unter anderem handeln sie von Hausaufgaben, alternativen Schönheitsidealen oder darum, wie man Poetry Slammerin wird. Auch Make-up-Tutorials und Rezepte, zum Beispiel für einen veganen Schokokuchen, dürfen nicht fehlen. Aber: immer mit Augenzwinkern. So lernt die Leser zum Beispiel, dass sich Augenringe am besten mit Glitzer wegschminken lassen. „Bei der Bravo gefällt mir nicht, dass jungen Mädchen vermittelt wird, dass das Aussehen das alles entscheidende Kriterium ist, außerdem ist alles immer auch ein bisschen skandalös“, konstatiert Kristin Lein. Mit ihrem Magazin wolle sie ein anderes Bild vermitteln: Zum Beispiel, dass es in Deutschland auch Menschen mit anderer Hautfarbe gibt, Menschen mit Behinderung, Dicke oder Transgender. Der inklusive Ansatz richtet sich also bewusst gegen Diskriminierung jeglicher Art.
Mit einem Dollar im Monat ist man Unterstützer_in
Finanziert wird das Ganze seit dem Start im November 2017 über private Spenden und eine Mitgliederkampagne auf der britischen Plattform „Patreon“. Mit einem Dollar im Monat ist man dabei. Um mehr Geld in die Kasse zu spülen, wäre mittelfristig auch ein größer angelegtes Crowdfunding denkbar. „Uns war es wichtig, erst einmal zu starten“, sagt Kristin Lein. Jede Woche stecken die Gründerinnen 15 bis 20 Stunden Arbeit in das Projekt. Bislang geschieht das alles ehrenamtlich.
Langfristig möchten sich die Gründerinnen aber ein kleines Honorar ausbezahlen und vor allem ihre Autorinnen und Autoren anständig entlohnen. Zumindest können sie sich die Miete für Redaktionsräume sparen, denn alle drei arbeiten von zu Hause aus, entweder in Köln oder in Berlin. Als zusätzliche Einnahmequelle kommt für die Frauen grundsätzlich auch Werbung in Frage. Ideen für passende Werbepartner gibt es bereits. Allerdings soll es das Teenie-Magazin in absehbarer Zeit nur digital und nicht gedruckt geben. Und: Immer sollen die Eltern in Form von Spenden zur Kasse gebeten werden – nicht die Jugendlichen selbst.
Bislang gibt es noch keine verlässlichen Daten darüber, ob „Brause*Mag“ tatsächlich die gewünschte Zielgruppe zwischen 12 und 19 Jahren erreicht. „Erst dann würde ich von einem echten Erfolg sprechen“, so Kristin Lein. Zahlen will sie, so kurz nach dem Start, aber noch nicht verraten. Vielmehr setzt sie 2018 verstärkt auf Mund-zu-Mund-Propaganda und die sozialen Medien. „Brause*Mag“ will positive Vorbilder zeigen und damit nicht nur Jugendliche in den Großstädten erreichen, so die Vision. „Queere oder feministische Jugendliche leben auch auf dem Land – für sie gibt es bislang kaum Angebote“, ist Kristin Lein überzeugt.
Außerdem sei ihr die geschlechterneutrale Sprache besonders wichtig. Gerade junge Menschen könnten sich schnell umgewöhnen und fänden Überschriften wie „Wie finde ich eine_n Gynkäkolog_in?“ gar nicht so seltsam. Zum Abschied meint Kristin Lein: „2018 wird ein entscheidendes Jahr. Denn da wird sich herausstellen, ob in Deutschland wirklich eine diskriminierungsfreie Alternative zur „Bravo“ gebraucht wird und ob wir – zumindest zum Teil – davon leben können.“ Und schon kämpft sie sich wieder durch den stürmischen Morgen in Berlin, auf dem Weg nach Hause.
Im Medienmagazin auf B5 aktuell hat Pauline Tillmanns das Jugendmagazin am 11. Februar ebenfalls vorgestellt: