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Kleinbäuerin gegen Großkonzern
Megabergbau in Nordperu

9. Januar 2019 | Von Eva Tempelmann
Die indigene Kleinbäuerin Máxima Acuña de Chaupe setzt sich gegen den US-Konzern "Newmont" zur Wehr. Foto: Jorge Chávez

Máxima Acuña de Chaupe aus Cajamarca in Peru kämpft seit Jahren gegen die Goldmine Yanacocha, weil deren Besitzer das Land kaufen will, auf dem die indigene Kleinbäuerin lebt. Trotz aller Drohungen des Bergbauunternehmens hält sie bis heute Stellung auf ihrem Stück Land. Für ihren Widerstand wurde ihr der Goldman Umweltpreis verliehen.

Von Eva Tempelmann, Lima

Hoch oben auf 4.000 Metern Höhe in den peruanischen Anden, fünf Stunden von der Stadt Cajamarca entfernt, steht ein kleines Haus geduckt in der baumlosen Hochebene. Hier wohnt die indigene Kleinbäuerin Máxima Acuña de Chaupe mit ihrer Familie. In der Nähe befinden sich mehrere Lagunen – wichtige Wasserquellen für die Region. Alpacas grasen in der Nähe des Hauses. Bis auf den Wind ist kein Laut zu hören. Ein Idyll, könnte man meinen.

Aber in dieser wilden Landschaft soll eine neue gewaltige Gold- und Kupfermine eröffnet werden. „Conga“ ist die Erweiterung der bereits bestehenden Mine Yanacocha in Cajamarca, der größten Goldmine Südamerikas und eine der größten und profitabelsten weltweit. Sie gehört zum Großteil der US-amerikanischen Firma „Newmont“; die peruanische „Buenaventura“ und die Weltbank sind ebenfalls Teilhaber. Rund 250 Quadratkilometer weit erstreckt sich die offene Mine über eine ehemals grüne Landschaft. Der Boden ist aufgerissen, große Maschinen graben täglich auf der Suche nach dem begehrten Edelmetall bis zu 500.000 Tonnen Gestein um.

Symbolfigur des Widerstands

Schnell flammte bei der lokalen Bevölkerung Widerstand gegen das Conga-Projekt auf: Die Bergbauarbeiten würden zahlreiche wichtige Wasserquellen vernichten, die für die Menschen in der Region – die vor allem von Land- und Viehwirtschaft leben – unverzichtbar sind. Als weder „Newmont“ noch die Regierung auf die Kritik der Anwohner einging, riefen die Betroffenen in Cajamarca zu einem Generalstreik auf.

Blaue Lagune bei Sorochuco in Cajamarca (Foto: Eva Tempelmann).

Der damalige Präsident Ollanta Humala verhängte daraufhin den Ausnahmezustand in der Region und ließ die Demonstrationen gewaltsam unterdrücken. Fünf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt und verhaftet. Das war 2012. Seitdem hat sich der Kurs der Regierung, der auf Bergbau als Motor für wirtschaftliche Entwicklung setzt, nicht geändert.

„Mit dem Bergbau vor der Tür werden wir keine Zukunft haben“, sagt Máxima Acuña de Chaupe über den Konflikt. Die zierliche Frau mit den langen geflochtenen Zöpfen, wie sie die einheimischen Frauen im Andenhochland tragen, ist in den letzten Jahren zur Symbolfigur des Widerstands gegen den Megabergbau in Peru geworden. Seit 2011 kämpft Acuña gegen die Bergbaufirma „Newmont“, die die vier Hektar Land kaufen will, auf denen die 48-Jährige mit ihrer Familie lebt. Ihr Land liegt mitten in dem Gebiet, in dem Gold abgebaut werden soll. Ein Kampf wie David gegen Goliath. Und ein Rechtsstreit, der sinnbildlich für den Schulterschluss von Regierung und Unternehmen steht – und für die fehlenden Rechte der Zivilbevölkerung.

Bergbau statt Entwicklung

Die Goldmine Yanacocha war immer umstritten. Für die einen, die peruanische Regierung und die Teilhaber der Mine, bedeutet sie ein Milliardengeschäft. Aber der Großteil der Peruaner schaut mit Entsetzen auf die nicht wieder gut zu machende Zerstörung ihrer Region und ihrer Lebensgrundlagen. Die größten Konflikte entzünden sich um das kostbarste aller Güter: Wasser. Das Problem mit den Goldminen ist, dass beim Förderprozess Unmengen an Wasser benötigt und verschmutzt werden.

Das Brauchwasser wird anschließend verunreinigt mit Schwermetallen und Chemikalien ­– darunter Blei, Quecksilber und Arsen – wieder in die Flüsse abgeleitet. Die Altlasten, die nach Ende der Bergbauaktivitäten zurückbleiben, sind tickende Zeitbomben. In Peru gibt es Tausende davon. Weder die Bergbauunternehmen noch die Regierung fühlen sich verantwortlich, sich um diese hochgiftigen Rückstände zu kümmern. Schlimmer noch: Die Umwelt- und Sozialstandards für den Abbau sind in den vergangenen Jahren immer wieder gesenkt worden.

„Die Annahme, dass Bergbau ein Motor der lokalen Wirtschaft sei, hat sich in Cajamarca als falsch herausgestellt“, sagt Gloria Alvitres vom „Red Muqui“, einem Netzwerk von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen mit Sitz in Lima. Es unterstützt und berät ländliche Gemeinden, die vom Bergbau betroffen sind, und arbeitet mit verbündeten Abgeordneten an politischen Alternativen. „Fakt ist: Nach 20 Jahren Bergbau gehört die Region Cajamarca noch immer zu den ärmsten des Landes“, sagt auch Mirtha Vásquez von der Nichtregierungsorganisation „Grufides“, einer Mitgliedsorganisation des „Red Muqui“. Sie ergänzt: „Viele Menschen haben auf Arbeitsplätze gehofft und stattdessen ihre Lebensgrundlagen verloren.“

Übergriffe durch Bergbauunternehmen

Mirtha Vásquez ist Anwältin und berät die Kleinbäuerin Máxima Acuña de Chaupe seit Beginn der juristischen Auseinandersetzung mit dem US-Konzern „Newmont“. Es ist eine kräftezehrende Aufgabe und ein Ende des Rechtstreits ist nicht in Sicht. Der Streit dreht sich um ein paar Hektar Land, unter denen das begehrte Gold liegt, das der Konzern abbauen will. 5.400 Hektar rund um das Dorf Sorochuco hatte das Unternehmen für das geplante Conga-Projekt seit 2010 bereits aufgekauft. Acuña aber lehnte das Angebot von „Newmont“ ab. Der Grund: Sie lebt – so wie 60 Prozent der Bevölkerung in dieser Gegend – von der Landwirtschaft.

Kartoffeln, Yucca, Weizen und Hafer wachsen auf dem fruchtbaren Boden. Das restliche Land nutzt sie als Weide für ihr Vieh. „Ich bin in Sorochuco geboren und aufgewachsen,“ sagt sie, „ich habe mein Land in der Hoffnung gekauft, mein ganzes Leben dort zu verbringen.“ Also blieb sie. „Newmont“ ließ sich das nicht gefallen. Bald tauchte Minenpersonal auf, unterstützt von Polizisten in Uniform. Es gab Morddrohungen, Prügel, ihr Vieh verschwand oder wurde getötet. Der Angriff auf die Landwirtschaft der Bäuerin wurde nicht geahndet. Im Gegenteil: Obwohl Acuña eine Besitzurkunde über ihr Land in den Händen hält, verklagte der Konzern sie des Landfriedensbruchs.

Als die Übergriffe des Unternehmens zunahmen, in ihr Haus eingebrochen und ihre Familie zusammengeschlagen wurde, ging Máxima Acuña de Chaupe vor Gericht. Drei Jahre später gab das Oberste Gericht in Cajamarca der „Newmont“ Recht. Acuña de Chaupe und ihre Familie wurden zu zwei Jahren und acht Monaten Bewährungsstrafe und einem Bußgeld von umgerechnet 1.500 Euro an den Minenkonzern verurteilt. Keine Seltenheit in einem Land, in dem selbst die Justiz von Korruption durchdrungen ist.

„Gold kann man nicht trinken“

Das Urteil löste in der peruanischen und lateinamerikanischen Öffentlichkeit große Betroffenheit aus. In den sozialen Netzen häuften sich Solidaritätsbekundungen, es gab Demonstrationen in Lima und offene Briefe an die Regierung. „Agua sí, Oro no!“, übersetzt „Wasser ja, Gold nein!“, riefen die Menschen auf den Straßen sowie „Gold kann man nicht trinken!“ Der Streit zwischen der Kleinbäuerin und dem Großkonzern steht sinnbildlich für die große Frage, ob das Recht auf sauberes und ausreichendes Trinkwasser in Peru wirklich gewährleistet ist. „Wasser bedeutet Leben,“ sagt Máxima Acuña de Chaupe, „das können wir nicht einfach an ein Unternehmen verkaufen.“

Durch den großen öffentlichen Druck wurde das Conga-Projekt schließlich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und Acuña in zweiter Instanz von allen Vorwürfen freigesprochen. Aber die Drangsalierungen durch das Unternehmen hörten nicht auf. Das eine Mal zerstörten Sicherheitskräfte Anbauten auf dem Grundstück der Familie, ein anderes Mal wurden Sicherheitskameras in Sichtweite des Hauses installiert.

Auf den ersten Blick scheint es, als ob sich Acuña davon nicht einschüchtern ließe. Doch der jahrelange Rechtsstreit zehrt an ihren Kräften. „Máxima steht oft am Rand der Erschöpfung“, sagt Anwältin Vásquez über ihre Klientin. „Die ständige Bewachung, die Übergriffe – ich frage mich oft, woher sie diese Kraft nimmt, das auszuhalten.“

Für ihren Widerstand und ihr Engagement bekam sie im April 2016 in San Francisco den Goldman Umweltpreis verliehen, der als international wichtigste Auszeichnung für Umweltaktivisten gilt. Eine Genugtuung sicherlich. Bei der Preisverleihung in San Francisco verzichtete Acuña auf eine Dankesrede. „Ich bin eine Frau aus den Bergen“, sang sie stattdessen in ihrer Muttersprache Quechua. „Ich verteidige die Seen und das Land, ich habe keine Angst.“

Proteste gegen das Conga-Projekt (Foto: privat).

Aber die öffentliche Auszeichnung hat die Kleinbäuerin noch stärker in den Fokus ihrer Gegner gerückt. Wenige Monate nach der Preisvergabe wurde Acuña erneut von Mitarbeitern des Unternehmens angegriffen. „Anfangs hatten wir ernsthafte Sorge, dass ihr das gleiche Schicksal widerfährt wie Berta Cáceres“, sagt Vásquez. Cáceres war der Goldman Umweltpreis im Vorjahr verliehen worden, weil sie sich jahrelang für indigene Rechte in Honduras eingesetzt und gegen Regierung und Oligarchen in ihrer Heimat protestiert hatte. Im März 2016 wurde sie ermordet.

Kein Raum für Kritik

Auch in Peru ist die Macht der Akteure ungleich verteilt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker zeigt in einer Studie auf, dass zwischen Minenbetreibern und der peruanischen Polizei problematische Kooperationsverträge bestehen. Auf Basis dieser Verträge leisten die Polizisten gegen Bezahlung sogenannte „außerordentliche zusätzliche Dienstleistungen“ für Rohstofffirmen. Staatliche und wirtschaftliche Interessen verbünden sich damit gegen die Interessen der lokalen Bevölkerung.

So ist es wenig verwunderlich, dass die Regierung gegen Widerstand aus der Zivilbevölkerung immer wieder hart vorgeht. In den Medien werden Bergbaukritiker beispielsweise als Terroristen und Entwicklungsgegner diffamiert. Zu groß ist die Medienkonzentration, als dass alternative Meinungen gehört werden wollen und zu groß ist die Überzeugung, dass Bergbau der Schlüssel für den Fortschritt ist. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern und Minenbetreibern sind von 2006 bis 2016 laut der staatlichen Ombudsstelle für Menschenrechte knapp 100 Personen ums Leben gekommen.

Ungeachtet aller Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen setzt die Regierung nach wie vor auf den Megabergbau als Motor für wirtschaftliche Entwicklung. Auch Präsident Pablo Pedro Kuczynski, der jüngst sein Amt wegen Korruptionsvorwürfen vorzeitig niedergelegt hat, betonte in öffentlichen Reden immer wieder: Peru ist ein Bergbauland. Der zähe Rechtsstreit zwischen Máxima Acuña de Chaupe und „Newmont“ geht derweil in die nächste Runde. Das Unternehmen will die Kleinbäuerin von einem Handel überzeugen: Es bietet Geld und ein Haus auf einem neuen Stück Land für die Einwilligung Acuñas, keinen Anspruch auf ihre bisherigen vier Hektar Land zu erheben. Aber die Umweltschützerin will keine Verhandlungen. „Es geht hier um unsere Rechte, nicht um Geld“, stellt Acuña klar. „Ich lasse mich nicht kaufen.“

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Von Eva Tempelmann, Münster / Lima

Eva Tempelmann hat 2014 bis 2020 mit ihrer Familie in Peru gelebt und dort als freie Journalistin, Übersetzerin und Lektorin gearbeitet. In ihren Reportagen, Interviews und Analysen berichtet sie über Umweltkonflikte in Peru, Menschenrechte und soziale Bewegungen. Sie ist Co-Autorin des Reiseführers Peru & Westbolivien (Stefan Loose, 2018) und Peru & Bolivien (Marco Polo, 2020). Mehr unter: http://www.evatempelmann.com.

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