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Kein Wasser am heiligen Jordan
Wie Landwirtinnen der Klimakrise trotzen

8. Oktober 2024 | Von Julia Neumann | 12 Minuten Lesezeit
Weniger Regen, höhere Temperaturen und lange Dürreperioden – Landwirtin Dabya Gazawi geht innovativ mit den Vorboten des Klimawandels um. Fotos: Julia Neumann

Im Jordantal sind hauptsächlich Frauen für die Landwirtschaft verantwortlich. Durch die Klimakrise trocknet das Land stetig aus und bedroht den Lebensunterhalt der Frauen. Wie begegnen die Landwirtinnen im Jordantal der Klimakrise?

Von Julia Neumann, Beirut

 

Zusammenfassung:

Im Jordantal, einer der fruchtbarsten Regionen Jordaniens, kämpfen vor allem Landwirtinnen gegen die Klimakrise. Trotz zunehmender Hitze und Wassermangel setzen Frauen wie Dabya Gazawi auf innovative Lösungen wie Zwergbäume und Mikrobewässerung, um Ressourcen zu schonen. Gleichzeitig engagieren sie sich für gesellschaftliche Veränderung, indem sie Frauen unterstützen, politisch aktiv zu werden. Durch Gemeinschaftsprojekte stärken sie ihre Position, um ihren Lebensunterhalt und die Landwirtschaft auch in Zeiten der Klimakrise zu sichern.

 

„Das Beste an der Landwirtschaft ist, dass man mit dem Baum umgeht, als wäre er ein Teil von einem selbst, sehr zärtlich“, sagt Dabya Gazawi, Mutter von drei Söhnen, einer Tochter und Bäumen auf 30.000 Quadratmetern Land. „Die Bäume sind für mich wie eines meiner Kinder. Ich ziehe sie auf und gebe ihnen zu trinken. Wenn ich sie gieße, zurückschneide, wenn ich die reife Ernte sehe, empfinde ich wirklich Freude, dass ich es geschafft habe.“ 

Die 50-Jährige steht in weißen Sportschuhen auf Gras zwischen Zitronen-, Orangen- und Pampelmusenbäumen. Die Äste der Bäume tragen sattgrüne Blätter, sie spenden etwas Schatten gegen die Mittagssonne. Es sind 32 Grad und die Menschen in dem Dorf sagen, es sei ein angenehmer Sommertag im Jordantal. „Ich habe mich an die Hitze gewöhnt. Wenn es mir zu heiß wird, gehe ich an die Wasserspränkler“, sagt Gazawi. 

Landwirtin Dabya Gazawi zwischen ihren Citrusbäumen im Jordantal.

Die 50-Jährige kommt aus einer Bauernfamilie und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Landwirtin auf ihrer eigenen Farm im nördlichen Jordantal in Jordanien. Zur Erntezeit helfen ihr sieben Frauen. Jobs gibt es in der Region wenige, doch der Boden ist fruchtbar, daher sind die meisten Menschen Landwirt*innen – die Mehrzahl davon Frauen. Doch ihre Lebensgrundlage ist bedroht, denn Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. War ihr als Landwirtin am meisten Angst mache, sei der Mangel an Wasser. Sie fürchte sich davor, dass das Wasser ausbleibe. 

Jordanien ist Vorbote für Klimawandel weltweit 

Fakt ist: Der Grundwasserspiegel sinkt, weil die Regierung und illegal gebaute Brunnen massiv Frischwasser aus den Bodenreservoirs abgepumpt haben. Daten der Weltbank zufolge gehen 50 Prozent des kommunalen Wassers verloren. Eine wachsende Bevölkerung und höhere Temperaturen führen zu Wassermangel. Das Wasserministerium geht davon aus, dass durch den menschengemachten Klimawandel die Süßwasserressourcen bis 2040 um 15 Prozent schrumpfen. Die historischen Klimatrends seit den 1960er Jahren zeigen, dass die jährlichen Höchsttemperaturen in Jordanien zwischen 0,3 und 1,8 Grad Celsius gestiegen sind.

Das heißt, Jordanien gibt einen Einblick, was vielen Ländern durch die Klimakrise künftig bevorsteht.Besonders betroffen ist das Jordantal, die fruchtbarste Gegend in Jordanien. Sie versorgt weite Teile des Landes mit Obst und Gemüse. Die Klimakrise führt hier zu Dürren, Wassermangel und extremen Wetterschwankungen. Weniger, dafür aber stärkere Regenfälle und hohe Temperaturen bedrohen den Anbau. Durch steigende Temperaturen verdunstet Wasser in größeren Mengen, was wiederum zu intensiveren Regenfällen führt, vor allem im Winter. Im Sommer folgt Dürre mit extremer Hitze.

Zwergbäume sparen Wasser

Die Fahrt zu Dabya Gazawi führt über eine Schnellstraße mit Schlaglöchern, am Rand wachsen Büsche, Bäume und Kaktusfeigen. Der Weg verläuft parallel zum Fluss Jordan, der zwischen dem Toten Meer und dem See Genezareth die Grenze zwischen Israel und Jordanien markiert. Links ziehen die kahlen Berge an der Grenze zum Westjordanland vorbei. Der schmale Flusslauf des Jordan ist von der Straße aus nicht zu sehen. Dafür die Ackerlandschaft: Tomatenstauden unter Metallgerüsten, schwarze Wasserschläuche schlängeln sich am Boden entlang. Am Straßenrand stapeln sich Wassermelonen, Trauben oder Aprikosen auf den Ladeflächen der Pick-ups zum Verkauf.

Den Bäumen ausreichend Wasser zuzuführen gestaltet sich als Herausforderung für viele Landwirt*innen in der Region.

In das Dorf „Scheich Hussein“, in dem Bäuerin Gazawi wohnt, führt eine Abzweigung zwischen Olivenbäumen entlang eines Kanals. „Wir bewässern die Felder seit langer Zeit mit Wasser aus dem Kanal“, erklärt die Landwirtin. Sie kauft das Wasser von der sogenannten Jordantal Behörde. „Die Behörde stellt eine bestimmte Menge Wasser zur Verfügung, aber das reicht nicht aus. Was soll ich also tun? Ich gebe das ganze Wasser an die Bäume und lasse den Rest des Landes unbepflanzt.“

Vor zehn Jahren habe die Behörde den Anbau von bestimmtem Gemüse wie Muluchia, einer spinatähnlichen Pflanze, verboten, weil sie zu viel Wasser brauche. Früher, erzählt Gazawi, habe sie Muluchia, Okra-Schoten und Bohnen angebaut. Weil die Pflanzen jeden Tag Wasser brauchten, musste die Landwirtin all ihr Gemüse aufgeben. Sie habe nur die Zitrusfrüchte behalten. Für das Land zwischen den Bäumen hat sie eine Lösung gefunden: Zwergbäume, eine besonders kleine und schlanke Form von Obstbäumen: „Sie brauchen nicht viel Platz und werden durch die Bäume mit bewässert. Sie bleiben klein, haben aber einen hohen Ertrag.“

Ist Regenwasser die Lösung?

Trotz heftiger Regenfälle im Winter wird das Regenwasser nicht großflächig gesammelt. Das ergab eine Anfrage bei der Jordantal BehördeNach eigenen Angaben arbeitet die Behörde mit Entwicklungsgeldern daran, „die größtmögliche Menge an Regenwasser zu nutzen“. Das Wasser für die Farmen kommt aus sechs Dämmen für das nördliche Jordantal und drei Dämmen für den südlichen Teil. Das Wasser, mit dem Gazawi ihre Zitrusbäume gießt, stammt aus dem 110 Kilometer langen König-Abdullah-Kanal, der parallel zum Ostufer des Jordan verläuft.

Warum nehmen die Landwirt*innen nicht das Wasser aus dem Jordan? Die Vereinigung für nachhaltige Landwirtschaft im nördlichen Jordantal warnt davor, das Wasser für die Landwirtschaft zu nutzen, da Israel seine Abwässer in den Fluss einleite. Die Organisation arbeitet mit rund 15.000 Landwirt*innen zusammen, die Zitrusfrüchte oder Gemüse anbauen. Insgesamt lebten in der Region 200.000 Menschen. Der Verband arbeitet als Mittler zwischen Landwirt*innen und der Regierung. Sie sammeln Informationen über Bodentypen und helfen sich gegenseitig, die rentabelsten Pflanzen anzubauen.

Im Jordantal betreiben Menschen seit mehr als 10.000 Jahren Ackerbau. Die fruchtbaren Böden wurden bereits im Alten Testament erwähnt. Im Christentum, Judentum und Islam verehren die Menschen den namensgebenden Fluss Jordan, der als Quelle heiligen Wassers gilt. Tatsächlich ist der Jordan inzwischen massiv verschmutzt und nur noch ein schmaler Flusslauf bräunlichen Wassers. Seine Wassermenge schrumpft seit den 1960er Jahren und beträgt weniger als zehn Prozent seines historischen Durchschnitts.

Oben: Sieben Frauen helfen Dabya Gazawi während der Erntezeit.
Unten: Tröpfchenbewässerung heißt, dass genau dort bewässert wird, wo die Pflanze das Wasser benötigt.

Wasser als Friedensprojekt

Der Fluss hat auch politisch eine hohe Bedeutung. Jordanien und Israel machen sich seit Jahren Vorwürfe über geteilte Wasserressourcen, über den Wasserstand der Flüsse, Stauseen und Entsalzungsprojekte. Israel pumpt jährlich 320 Millionen Kubikmeter des Jordanwassers ins Zentrum und den Süden Israels. Die Umleitung von Flusswasser durch Israel als auch durch Jordanien hat den Zufluss des Jordans ins Tote Meer erheblich verringert.  

Beide Seiten haben ein Interesse daran, die Ressource gerecht aufzuteilen. Wasser war ein wichtiger Bestandteil des Friedensvertrags von 1994. Das Abkommen sah vor, dass Israel jährlich 50 Millionen Kubikmeter Trinkwasser an Jordanien liefert. Auf dem UN-Klimagipfel im November 2022 vereinbarten die Länder, dass Israel die Menge auf etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser erhöht. Doch mit dem Krieg in Gaza löste Jordanien das Abkommen auf.

Jordanien, Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde wollten einen Kanal bauen, um Wasser vom Roten Meer ins Tote Meer zu pumpen. Es sollte die Länder mit Trinkwasser versorgen und hochkonzentriertes Salzwasser, das Nebenprodukt der Entsalzung, ins Tote Meer leiten. 2021 verwarf Jordanien den Plan, weil Israel kein Interesse habe, so die Regierung Jordaniens. Stattdessen möchte Jordanien Wasser aus dem Roten Meer in Akaba entsalzen. Die Anlage soll bis 2030 stehen, doch es mangelt an Investor*innen.

Dabei ist Jordanien eines der größten Empfängerländer von deutschen Entwicklungsgeldern für Wasserprojekte. Davon wurden auch Kläranlagen gebaut, um Abwasser zu reinigen. Das behandelte Wasser wird in natürliche Bäche oder Dämme geleitet und vermischt sich dort mit Frischwasser. 

Laut der Jordantal Behörde werden bereits 50 Prozent der Anbauflächen von aufbereitetem Wasser, das in Dämmen mit Süßwasser gemischt wird, zur Bewässerung genutzt. Dass Landwirt*innen das aufbereitete Wasser nutzen,braucht Überzeugungskraft, denn die Vereinigung der Landwirt*innen sträubt sich. Sie fürchtet um ihren Ruf, wenn Toilettenspülwasser zum Essensanbau genutzt werden würde. 

Oben: Farmerin Dabya Gazawi und ihre Erntehelferin bewässern die Zitronenbäume.
Unten: Pampelmusenbaum auf dem Feld in Nahaufnahme.

Landwirtinnen unterstützen sich gegenseitig

Weil die Politik und Regularien für Landwirtinnen von Männern gemacht werden, setzt sich Landwirtin Gazawi dafür ein, dass sich mehr Frauen in Gesellschaft und Politik einbringen. Dafür hat sie eine Frauen-Vereinigung gegründet. „Wir haben zum Beispiel eine Gemeinschaftsküche, in der Frauen ausgebildet werden. Sie können auch ihre Produkte verkaufen und so selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Darüber hinaus ermutigen wir Frauen, sich politisch zu engagieren, Parteien beizutreten und auch, ihre persönlichen Rechte zu kennen.“ Sie unterstützen Frauen, bei Kommunal- und Parlamentswahlen anzutreten. Tatsächlich hätten es so mehrere Frauen geschafft, in die Politik zu gehen.

Von einem Wasserbecken aus führen schwarze Schläuche durch das Grundstück der Landwirtin. Ein Motor treibt die Pumpe an, die das Wasser durch die Schläuche drückt. Darin sind viele Löcher, durch die das Wasser direkt um die Bäume fließt und Pfützen bildet. Mikrobewässerung nennt sich das System: Jede Pflanze wird dort bewässert, wo sie wächst und nicht mit einem überschwemmenden Bewässerungssystem, wie es in Jordanien üblich ist. Damit kann viel Wasser eingespart werden, weil das meiste Wasser, mit dem die Pflanzen gegossen werden, aufgrund des heißen Klimas verdunstet. Die Umstellung auf Schläuche und Tröpfchenbewässerung habe sie eine Menge Geld gekostet . „Wir brauchen die neuste Technologie, um weiter anbauen zu können.“

Die Farmerin ist neuer Technologie nicht abgeneigt. Doch das ist teuer und es ist nicht klar, wer diese Kosten tragen wird. Internationale Organisationen würden einigen armen Familien bereits helfen, sogenannte „intelligente Familienlandwirtschaft zu betreiben“, heißt es von der Landwirt*innen-Vereinigung. Gazawi zumindest blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: „Ich möchte einen Bauernhof mit Kühen haben, dort in einem kleinen Haus leben, mit ein paar Hühnern und Bienen zu halten, um Zitrushonig herzustellen.“


 

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Von Julia Neumann, Beirut

Julia Neumann berichtet als freie Korrespondentin aus dem Libanon. Sie beschäftigt sich mit den Kulturen und Gesellschaften Westasiens und Nordafrikas und recherchiert vor allem zu Genderthemen, Migration und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Sie hat Journalistik in Dortmund, Internationale Politik in Ifrane (Marokko), Soziologie und Geschichte des Vorderen Orients in Erfurt und Beirut studiert. Mehr unter: www.neumannjulia.de.

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Mareike GraepelHaltern
Die US-Amerikanerin Cindy O’Brien lebt seit den 90er Jahren in Connemara, ganz im Westen von Irland und züchtet seltene Seeschnecken. Die sogenannten japanischen Abalone gedeihen an der irischen Küste gut. Sie gelten als Delikatesse und Aphrodisiakum, kosten bis zu 44 Euro pro Kilo – und sehen aus wie Vulven.

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