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In der Grauzone
Frauen und Prostitution

Foto: Ellie Rose Harvey

Sexarbeit gab es schon immer. Manche behaupten es sei das älteste Gewerbe der Welt. Dabei könnten die Regelungen in den jeweiligen Ländern kaum unterschiedlicher sein. Während Prostitution in Deutschland völlig legal ist, ist sie in Frankreich bereits seit mehr als 70 Jahren offiziell verboten. Unsere Korrespondentinnen mit ihren Einschätzungen aus Afghanistan, Frankreich und Russland.

Von Veronika Eschbacher, Kabul

Eine Redewendung in der afghanischen Hauptstadt besagt: „In Kabul ist alles verboten. Und doch gibt es nichts, was es nicht gibt.“ Das gilt auch für Prostitution. In Afghanistan ist diese gesetzlich verboten, und doch ist Sex für Geld nur einen Anruf, eine Facebook-Nachricht oder ein Aufblinken mit der Lichthupe entfernt.

Prostituierte werden per Telefonanruf oder Facebook-Messages zu Partys eingeladen – und es ist nicht selten, dass eine Sexarbeiterin mehrere Freier befriedigt, bevor sie die Privathäuser wieder verlässt. Schätzungen von Kabulis zufolge gibt es zudem zwischen 60 und 80 Bordelle in der Hauptstadt Kabul, konzentriert in zwei südlichen Bezirken. Von außen sind sie in dem tief konservativen Land freilich nicht zu erkennen. Manche davon sind fix, andere tingeln von Haus zu Haus.

Aber auch auf der Straße sind Prostituierte zu finden. Betätigen Freier die Lichthupe und antworten die Frauen, die immer in einer Burka verhüllt sind, mit einem bestimmten Handzeichen, steigen die Frauen ein. Das passiert vor allem zur Mittagszeit, denn am Abend sind so gut wie keine Frauen mehr allein auf der Straße unterwegs.

Die Frauen bekommen im Schnitt zwischen 25 und 50 Euro, manche auch nur 500 Afghani, also umgerechnet sechs Euro. Die Gründe für Prostitution sind vor allem Zwang oder Armut. Manche werden von ihren Ehemännern, die oft drogensüchtig sind, dazu gezwungen. Andere haben im Krieg ihre Ehemänner verloren. Schätzungen zufolge gibt es rund 1,5 Millionen Witwen, sie müssen alleine mehrere Kinder durchbringen. Gleichzeitig gibt es eine steigende Zahl an Gelegenheits-Sexarbeiterinnen, erzählen afghanische Frauenrechtsaktivistinnen, getrieben von einer steigenden Konsumkultur.

Es sind aber nicht nur afghanische Frauen, die als Prostituierte arbeiten. Immer wieder gibt es Berichte, dass Frauen aus den Philippinen, Pakistan, Iran, Tadschikistan oder China unter dem Vorwand gut bezahlter Arbeitsstellen in das Land am Hindukusch gelockt werden, wo sie dann in die Prostitution gezwungen werden. Nach der US-Invasion 2001 in Afghanistan entstanden viele, vor allem chinesische Bordelle für Ausländer, die von der Polizei sukzessiv wieder geschlossen wurden.

Immer wieder werden Frauen von afghanischen Behörden für Prostitution oder vorehelichen Sex inhaftiert, ungeachtet dessen, ob sie in die Prostitution getrieben worden sind. Im Gefängnis werden sie oft missbraucht.


Von Carolin Küter, Lyon

Frankreich verfolgt beim Thema Prostitution einen völlig anderen Ansatz als Deutschland: Es gehört zu den sogenannten „abolitionistischen Ländern“, die Prostitution langfristig abschaffen wollen. So sind Bordelle und Zuhälterei offiziell bereits seit 1946 verboten. Wie unterschiedlich die Regelungen zu käuflichem Sex dies- und jenseits des Rheins sind, dürfte jeder schon einmal bemerkt haben, der einen französischen Mann von den legalen Freudenhäusern in Deutschland hat schwärmen hören.

Vor zwei Jahren ist die damalige sozialistische Regierung sogar noch einen Schritt weiter gegangen und schuf ein Gesetz, mit dem erstmals die Freier bestraft werden. Zumindest theoretisch müssen sie so mindestens 1.500 Euro zahlen, wenn sie beim Sex erwischt werden. Prostituiert machen sich hingegen nicht mehr strafbar, wenn sie Kunden „passiv anwerben“ – also auf der Straße auf Freier warten.

Die sozialistische Abgeordnete hinter dem Gesetz bezeichnete dies damals ganz klar als feministisches Anliegen mit hohem Symbolwert: Prostituierte seien Opfer. Die Tatsache, dass Männer weibliche Körper kaufen könnten, seien demanch Zeichen eines „entwürdigenden Frauenbilds“. Tatsächlich sind es vor allem Frauen, die in Frankreich Sex als Dienstleistung anbieten: Laut Schätzungen arbeiten 30.000 bis 40.000 Menschen in der Branche, davon sind 85 bis 96 Prozent weiblich.

Oft wurden sie Opfer von Menschenhändlern und stammen zu 93 Prozent aus dem Ausland – vor allem aus Osteuropa, Westafrika und China. 51 Prozent der Prostituierten sind während ihrer Tätigkeit Opfer von Gewalt geworden. 38 Prozent wurden vergewaltigt. Fast 30 Prozent haben Selbstmordgedanken. Diese Zahlen stammen von einer Erhebung der Regierung aus dem Jahr 2014. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, was wohl auch ein Zeichen dafür ist, wie schwierig es ist, an verlässliche Informationen über Prostitution zu kommen.

Unumstritten war und ist das Gesetz von 2016 bis heute nicht: Prostituiertengewerkschaften und medizinische Hilfsorganisationen kritisieren, Sexarbeiterinnen würden damit bevormundet und zusätzlich stigmatisiert. Zudem sei deren Arbeit gefährlicher geworden, da sich die Freier verstecken müssten. Tatsächlich scheint die Durchsetzung der Regelungen in der Praxis schwierig, wie französische Medien zwei Jahre nach der Einführung des Gesetzes berichten: Nur ein paar Dutzend Frauen nutzten bisher die vorgesehenen Ausstiegsprogramme für Prostituierte. Die durchschnittliche Höhe der Strafen, die die Freier bislang tatsächlich gezahlt haben, liegt weit unter dem, was eigentlich vorgesehen war. Prostitution bleibt also auch in Frankreich ein Streitthema, zu dem es offenbar keine Lösung gibt, die für alle Beteiligten optimal ausfällt.


Von Jasper Steinlein, Moskau

Hat Wladimir Putin russische Prostituierte nun „die besten der Welt genannt“ – oder nicht? Der frühere FBI-Chef James Comey ist sich da in seiner Autobiographie ganz sicher, Kremlsprecher Dmitrij Peskow dagegen kann sich das nicht vorstellen. Sollte der russische Präsident etwas gelobt haben, das in seinem Land – ähnlich wie die Korruption – verboten und doch weit verbreitet ist? Schätzungen zufolge prostituieren sich in Russland ein bis zwei Prozent der 144 Millionen Einwohner. Als Medienfigur ist die bildschöne, eiskalte Sexarbeiterin noch häufiger: Von „Brat“ bis „Russian Lullaby“ kommt kaum ein Film oder Video über Russland ohne dieses Klischee aus.

Entstanden ist es, wie auch die genannten Filmproduktionen, in den 90er Jahren. In der Sowjetunion gab es schließlich keinen Sex, zumindest nicht öffentlich. Prostitution fand natürlich trotzdem statt, insbesondere in den Hotels für ausländische Touristen. Nach dem Ende des Kommunismus setzten in Russland bewegte Jahre ein: Schattenwirtschaft und ein Arbeitsmarkt, auf dem plötzlich andere Qualifikationen als Angepasstheit und ein Parteibuch gefragt waren, brachten massive soziale Umwälzungen mit sich. Zwischen der Sicherung des Lebensunterhalts und dem Leben als Oligarchen-Konkubine waren für viele Frauen die Grenzen fließend.

Auch wenn Prostitution mitunter besser bezahlt ist als „gewöhnliche“ Jobs, so tragen die Frauen das volle Risiko – und zwar sowohl gesundheitlich als auch sozial und gesetzlich. Denn legal ist nur der Kauf von Sex, nicht dessen Verkauf. Zuhälterei hingegen wird mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft – wenn sie den Tätern denn nachgewiesen werden kann.

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Mareike GraepelHaltern
Die US-Amerikanerin Cindy O’Brien lebt seit den 90er Jahren in Connemara, ganz im Westen von Irland und züchtet seltene Seeschnecken. Die sogenannten japanischen Abalone gedeihen an der irischen Küste gut. Sie gelten als Delikatesse und Aphrodisiakum, kosten bis zu 44 Euro pro Kilo – und sehen aus wie Vulven.

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