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Im Frauenabteil
Vier Korrespondentinnen berichten

27. April 2016 | Von DEINE KORRESPONDENTIN
Die private Keio-Linie in Tokio führte 2000 in Japan Frauen-Wagen ein. Foto: WikiCreativeCommons

Die Mitteldeutsche Regiobahn führte im März auf den Zügen zwischen Leipzig und Chemnitz spezielle Frauenabteile ein. In Indien, Iran, Indonesien oder Japan gibt es teils seit Jahrzehnten spezielle Frauenwaggons oder Pink Taxis. Einerseits wird das in diesen Ländern als nötig angesehen, um sexueller Belästigung zu entgehen, anderseits als Rückschritt. Denn wenn man getrennt fährt, gewöhnen sich Männer wohl nie an Frauen in der Öffentlichkeit.

Von Sonja Blaschke, Tokio

Sonja

Ein Mann sitzt in der Bahn mit dem Rücken zur Wand, seine Füße zeigen zur Wagenmitte. Davor stehen, Halteringe greifend, weitere Reisende. Auf seinen Knien liegt ein Smartphone. Sobald sich eine Frau, die einen Rock trägt, vor ihn stellt, schiebt er das Telefon langsam weiter vor, auf die Frau zu – und fotografiert und filmt ihr zwischen die Beine, unter den Rock. Ein Fernsehteam nahm ihn dabei heimlich auf. Außerdem wurden Gruppen von Männern mit versteckter Kamera dabei beobachtet, wie diese gemeinsam in der Ecke eines Wagens eine Frau bedrängten. Die Männer sollen sich vorher nicht gekannt und über das Internet verabredet haben.

Wer solche Bilder sieht, ist froh, dass in Japan in vielen Zügen ein bis zwei Waggons gibt, die zu bestimmten Zeiten, während der Rush-Hour, für Frauen reserviert sind. Die ersten Züge mit exklusiven Frauen-Abteilen wurden 1912 auf der Chuo-Linie im Großraum Tokio eingeführt. Doch das System setzte sich zunächst nicht durch. Erst in den 1980ern, als sich mehrere Frauen, die im Zug sexuell belästigt worden waren, zusammenschlossen und gegen die Bahnbetreiber vor Gericht zogen, begann sich das Bewusstsein in Japan dafür zu ändern. Im Jahr 2000 führte die private Keio-Linie Frauen-Wagen in Tokio ein, andere Gesellschaften im Rest des Landes zogen nach. Heute verfügen die meisten Bahnlinien in Raum Tokio über Waggons, die zu bestimmten Uhrzeiten für Frauen reserviert sind.

Ist man zur Stoßzeit in Tokio mit der Bahn unterwegs, bleibt einem häufig nichts anderes übrig, als sich dicht an dicht in die Bahn zu zwängen. Manchmal ist es so eng, dass man kaum mit beiden Füßen auf dem Boden stehen kann. Mitgeführte Taschen hängen schon einmal eingeklemmt zwischen anderen Leuten. Immer schwingt das Gefühl mit: Ist das, was ich an meinem Hintern spüre, wirklich nur die Tasche der Person hinter mir?

Kindern werden Aufkleber mitgegeben, die sie bei Belästigung auf die Hand des vermuteten Täters kleben sollen – gar nicht so leicht, bei der Enge in der Bahn. Ein weiterer Tipp ist, die Hand zu ergreifen, in die Höhe zu halten, und den Täter so bloßzustellen.

An den Bahnsteigen hängen Poster, die vor Belästigung („Chikan“) warnen und klarmachen sollen, dass dies ein ernsthaftes Delikt ist. Ob diese dazu dienen, potenzielle Opfer zu warnen oder Täter abzuschrecken, sei dahingestellt.


Von Lea Gölnitz, Neu-Delhi

Lea Gölnitz

„Bitte setzten Sie sich nicht auf die für Frauen vorgesehene Plätze!“ Das ist die regelmäßige Ansage in der U-Bahn von Neu-Delhi. Die Züge der Delhi Metro haben sechs bis acht Waggons, einer davon ist nur für Frauen.

Mit pinken Schildern wird auf dem Gleis auf den „Women-Only“-Bereich hingewiesen. Sicherheitspersonal grenzt diesen Teil vom Rest des Gleises ab. Männer müssen 200 Rupien (3 Euro) Strafe zahlen, wenn sie in dem Waggon fahren. Es gibt jedoch keine Tür oder andersartige Abgrenzung zwischen den Abteilen. Es kommt also vor, dass Männer in das Abteil kommen.

Angaffen, Angrapschen, fotografiert werden und andere Formen sexueller Belästigung gehören in Delhi zum Alltag. In diesem Zusammenhang finden viele Frauen die Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln sinnvoll und auch notwendig. Da niemand erwartet, dass sich das Verhalten von Männern in naher Zukunft ändert, wird dieser Ansatz größtenteils akzeptiert. Allerdings wird kritisiert, vor allem Männern sei oft nicht bewusst, dass Geschlechtertrennung nicht das Ziel sein sollte und nur eine Zwischenlösung auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und Akzeptanz von Frauen im öffentlichen Raum sein könne.

Wie die Gesellschaft dahin kommen soll, wenn Männer sich nicht an die Anwesenheit von Frauen gewöhnen können und müssen, ist unklar. Die Einführung von Frauenwaggons wird daher von vielen als Rückschritt gesehen. Wenn Frauen in einem anderen Waggon fahren, dort belästigt werden und auf die Belästigung aufmerksam machen, wird ihnen gesagt, sie sollen doch ins Frauenabteil gehen. Hier schwingt der Vorwurf mit, sie wären selbst schuld, wenn sie sich nicht für die „sichere“ Option entscheiden.

Frauenwaggon_Indien_1Daher fordern Frauen auch immer wieder die Abschaffung der Frauenabteile. Die „Women-Only“-Wagen verstärken die Idee, das Männern der Großteil des öffentlichen Raums zustehe. „Männer-Waggons“ hingegen, so die Kritikerinnen, würden die Diskussion da positionieren, wo sie hingehört: beim sexistischen Verhalten und den rückständigen Ansichten der Männer. Diese Vorschläge werden allerdings kaum beachtet.

Auch weniger radikale Vorschläge wie eine Kampagne für das Recht der Frauen auf Sicherheit, Mobilität und Teilnahme am öffentlichen Leben gibt es nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Werbeplakate in den Metrostationen sollen Frauen „beruhigen“ – 99 Prozent der Männer betreten den Frauenwaggon angeblich nicht.

Gleichzeitig fühlen sich einige Männer diskriminiert. Die Tatsache, dass das Frauenabteil immer der vorderste Wagen ist, bevorzuge Frauen. Sie hätten es bequemer, weil sie dadurch schneller zum Ausgang gelangen.


Von Veronika Eschbacher, Kabul

Veronika

Bis 1992 fuhren sie quer durch Kabul, zumeist heillos überfüllt und mit vielen Pausen, weil immer wieder die Stromabnehmer aus den Oberleitungen sprangen: die weiß-blauen Trolleybusse. Sie waren tschechoslowakischen Fabrikats und brachten die Bewohner der afghanischen Hauptstadt ab 1979 vom Pamir-Kino im Zentrum zu einer Textilfabrik im Norden und einem Hotel im Osten. Männer wie Frauen nutzten das populäre Verkehrsmittel. Gelenkt wurden die Busse jedoch – da die Männer im Krieg kämpften – zu einem nicht unbedeutenden Teil von afghanischen Frauen.

Mit dem Fall der pro-sowjetischen Regierung und der Intensivierung des Bürgerkriegs jedoch verschwanden die Trolleybusse aus dem Stadtbild. Nach nun fast vierzig Jahren Krieg und der andauernden prekären Sicherheitslage ist der öffentliche Verkehr in Afghanistan weiter stark eingeschränkt. Er beschränkt sich auf Minibusse in größeren Städten und Busse für Fahrten zwischen den Provinzhauptstädten. Die wenigen Bahnstrecken, die in Betrieb sind, operieren nur Güterverkehr.

In Bussen wie Minibussen sind spezielle Sitze für Frauen reserviert. Da die Minibusse stets überfüllt sind und die Belästigung von Frauen außerhalb des Hauses massiv ist, schließen Studentinnen oder arbeitende Frauen oft Fahrgemeinschaften und teilen sich ein Taxi. Viele Firmen haben eigene Busse und holen ihre Mitarbeiter morgens ab und bringen sie am Abend nach Hause. Dabei wird nicht nach Geschlechtern getrennt – im Gegensatz zu Bussen von Universitäten, die nur für Studentinnen vorgesehen sind.

Laut Faridullah Sherzai, dem neuen Leiter der Sektion Transport für Kabul, soll in naher Zukunft ein “spezielles Angebot an öffentlichen Transportmitteln für Frauen” gestartet werden. Dem Beispiel von Kabul sollen dann in weiterer Folge andere große Städte des Landes folgen. Konkrete Vorschläge gibt es aber noch nicht.

Nur vereinzelt sieht man Frauen mit dem Auto fahren. Die Reaktionen auf fahrende Frauen sind gemischt – von Beleidigungen bis Beglückwünschungen. Schlagzeilen machte im Vorjahr eine Frau in Mazar-e-Sharif, die bisher einzige bekannte Taxifahrerin des Landes. Sie wolle mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass mehr Frauen ihre Häuser verlassen und sich dabei sicher fühlen, erklärte sie gegenüber dem “Wall Street Journal”.


Von Sabine Rossi, Kairo

Sabine

Sayyedat, Ladies, steht in weißen Buchstaben auf einer blauen Leuchttafel in Kairos U-Bahnstationen. Wer an diesem Schild steht, kann direkt in einen der beiden Frauenwaggons einsteigen – über Einkaufstüten mit Gemüse und Brot, kleine Jungen und Mädchen, die auf dem Boden spielen oder sich an der langen Galabiya ihrer Mutter festhalten.

Betritt ein Mann den Frauenwaggon, wundert sich niemand. „Kaugummi! Haarspangen! Taschentücher!“, ruft er und schiebt sich durchs Gedränge. Einige Haltestellen später steigt er wieder aus, rundum zufrieden mit seinem Geschäft.

Im Großraum Kairo leben rund 22 Millionen Menschen. Etwa sieben Millionen fahren täglich mit der U-Bahn. Millionen weitere sind mit Bussen, Minibussen und Taxis unterwegs. Für Frauen ist das jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung: Ihre Sorge ist nicht, irgendwann und irgendwie durch das Verkehrschaos zu kommen, sondern sicher das Ziel zu erreichen. In einer Umfrage der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2013 gaben 99,3 Prozent der Ägypterinnen an, schon einmal belästigt worden zu sein. Das Spektrum reicht von unangenehmen Blicken über anzügliche Bemerkungen bis hin zu handfesten Attacken. Zwar stellen Gesetze in Ägypten sexuelle Belästigung unter Strafe und zahlreiche Initiativen versuchen, Frauen zu schützen. Oft schweigen die Opfer jedoch aus Scham oder die Täter sind nicht dingfest zu machen. Im Gedränge von U-Bahn, Bus oder Minibus können sie unauffällig untertauchen und im Taxi ist niemand da, der einschreiten könnte, wenn der Fahrer Grenzen überschreitet.

Die Frauenabteile in der U-Bahn, aber auch das Pink-Taxi-Projekt, das vergangenen Sommer in Kairo gestartet ist, verheißen Sicherheit. Bei Pink Taxi fahren Frauen Frauen. Die Firma ist aber noch im Aufbau, im Stadtbild sind sie eine Seltenheit. Und auch hier regt sich Kritik: Frauenrechtsaktivistinnen argumentieren, dass Männer nie lernen, Frauen zu respektieren, solange die Geschlechter in der Öffentlichkeit getrennt sind. Zudem ist das Pink Taxi teurer als ein normales Taxi – und selbst das können sich viele Menschen in Kairo nicht leisten.

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Marinela PotorDetroit
Mittelgroß, schmale Hüften, kleiner Po, leicht rundlicher Busen: Das ist nach wie vor das dominierende weibliche Schönheitsideal in den USA. Es klingt wie eine Klischee-Beschreibung einer westeuropäischen Frau. Viele Amerikanerinnen kämpfen damit – bis sie erkennen: Sie sind nicht das Problem. 
Heike PapenfussValencia / München
Während der Franco-Diktatur wurden in Spanien unzähligen Müttern ihre Babys genommen und an Adoptiveltern verkauft. Noch bis Anfang der 80er Jahre verdienten Ärzte, Notare, Pfarrer und Nonnen an diesem Kinderhandel. Die Rede ist von geschätzt 300.000 betroffenen Kindern. Es ist auch die Geschichte von Susi Cervera und Sonia Espinosa.

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