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Ich bleibe nicht still
Frauen und feministische Aktionen

11. August 2017 | Von DEINE KORRESPONDENTIN
Protest in Berlin gegen US-Präsident Donald Trump. Foto: Thorsten Strasas

Feminismus ist zum Modebegriff geworden. Dabei handelt es sich um handfeste Anliegen. Zum Beispiel, dass Frauen und Männer gleich behandelt und damit auch gleich bezahlt werden. Dass der Alltagssexismus abnimmt und dass die traditionellen Rollenbilder der Vergangenheit angehören. Unsere Korrespondentinnen haben sich in Chile, Afghanistan, Indien und Brasilien umgehört, welche feministischen Aktionen dort von sich Reden machen.  

Von Sophia Boddenberg, Santiago de Chile

In Chile erlebt die Frauenbewegung seit einigen Jahren einen starken Aufschwung. Feministinnen klagen den „Machismo“ und die patriarchalen Strukturen an, protestieren gegen Abtreibungsverbote und Frauenmorde.

Abtreibung ist in Chile seit der Militärdiktatur grundsätzlich verboten. Präsidentin Michelle Bachelet war mit dem Versprechen angetreten, die Abtreibung in drei Fällen zu legalisieren: Vergewaltigung, Missbildungen des Fötus und Gefahr für das Leben der Mutter. Das Gesetz wurde zwar bereits von Abgeordnetenkammer und Senat abgesegnet, aber konservative Politiker wollen es vor dem Verfassungsgericht anfechten. Feministinnen fordern eine generelle Straffreiheit der Abtreibung, da nur so das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren eigenen Körper garantiert werden könne.

Ein weiteres zentrales Thema der feministischen Aktionen in Chile ist der Kampf gegen Frauenmorde, auch „Femizide“ genannt. Damit sind Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts gemeint. Von den 25 Ländern mit den höchsten Femizidraten weltweit befinden sich 14 in Lateinamerika und der Karibik. Die meisten bleiben ungestraft. Unter dem Namen „NiUnaMenos“ („Nicht eine Weniger“), der durch einen Twitter-Hashtag entstand, protestieren Frauen in Chile und Lateinamerika gegen Frauenmorde und Frauengewalt.

Doch innerhalb der feministischen Bewegung in Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern gibt es Ungleichheiten zwischen den Frauen bezüglich ihrer Klasse, Hautfarbe, Ethnie und Sexualität – schwarze Frauen, indigene Frauen, Frauen vom Land, Hausarbeiterinnen und lesbische Frauen erleben eine andere Form der Unterdrückung als weiße, wohlhabende Frauen mit europäischen Vorfahren. Deshalb hat sich in Lateinamerika ein antirassistischer und dekolonialer feministischer Ansatz entwickelt.

Yuderikis Espinosa Miñoso ist die bekannteste antirassistische und dekoloniale Feministin und Aktivistin in Lateinamerika. Sie macht darauf aufmerksam, dass das Patriarchat mit Rassismus, Kolonialismus und Kapitalismus zusammenhängt. Viele indigene Frauen betrachten den Feminismus als ein westliches Konzept weißer privilegierter Frauen, der nichts mit ihrer Realität zu tun hat. Deshalb fordern die dekolonialen Feministinnen Lateinamerikas, dass die Befreiung der Frauen nur mit der Befreiung der unterdrückten Völker einhergehen kann.


Von Veronika Eschbacher, Kabul

Wer in Afghanistan einen Mann beleidigen möchte, der fragt nach dem Namen von dessen Ehefrau oder Schwester. Im Land am Hindukusch ist es unüblich, nach den Namen von Müttern, Schwestern oder Ehefrauen zu fragen – oder sie zu nennen. Es gilt vielmehr als schandhaft und ehrlos.

So sehr, dass sich keine weiblichen Vornamen auf Medikamentenrezepten finden, auf Hochzeitseinladungen oder oft sogar nicht einmal auf den Grabsteinen von Frauen. Vielmehr spricht und liest man von der „Mutter von Abdul“ oder der „Frau von Haji Omid“. Spricht ein Ehemann vor anderen von seiner Frau, nennt er sie zumeist „madar-e awlad-haa“, die Mutter meiner Kinder.

Afghanische Feministinnen wollen das nun ändern. Um diesen weit verbreiteten Brauch zu hinterfragen, starteten Frauenrechtlerinnen in sozialen Medien die Kampagne „Wo ist mein Name?“. Unter dem Hashtag #WhereIsMyName werden Geschichten und Meinungen gesammelt, warum sich Afghanen dafür schämen, die Namen ihrer Mütter, Schwestern und Frauen öffentlich zu verwenden. Männer wie Frauen sollen dazu gebracht werden, dieses Tabu zu brechen – ein eigener Name sei die Grundlage für eigene Rechte.

Die Tradition geht auf die große Bedeutung von Ehre in der afghanischen Kultur zurück. Der Ehrbegriff ist eng mit den weiblichen Familienmitgliedern verbunden, die vor äußeren Bedrohungen beschützt werden müssen. Dieser Schutz wird aber oft zum Käfig für Frauen, der sie in der Gesellschaft unsichtbar macht, denn viele Konservative sehen nicht nur die körperliche und sexuelle Integrität der Frau als schützenswert, sondern auch ihr Gesicht – und eben bis hin zu ihrem Namen.

Wer seine Ehre – sprich seine Frauen und die eigene Courage – beschützt, gilt als respektabel; wer das nicht tut, hat sein Gesicht in der Gesellschaft verloren. Seit die Kampagne in Afghanistan läuft, posten immer mehr Menschen, auch Politiker und Celebrities, die Namen ihrer Mütter und Schwestern online, manche sogar mit Fotos, was als fast noch verpönter gilt. Kritiker werfen den Frauenrechtlerinnen vor, dass Afghanistan größere, wichtigere Probleme habe.

Manche afghanische Männer beschweren sich darüber, dass die Aktivistinnen sie zwingen, etwas Ehrloses zu tun. „Ihr könnt mich in Stücke reißen, ich werde den Namen meiner Frau nicht nennen“, schrieb einer. Die Aktivistinnen lassen sich nicht entmutigen, sie überlegen nun vielmehr, wie sie die Online-Debatte in Offline-Erfolge und analoge Aktionen umwandeln können.


Von Lea Gölnitz, Neu-Delhi

Progressive feministische Proteste und Aktionen wie die #IWillGoOut-Märsche oder die Kampagne gegen Steuern auf Menstruationsprodukte entstehen meist in den Großstädten Indiens. Für Frauen auf dem Land geht es dabei meist um Probleme aus einer anderen Welt. Anders herum ist es allerdings genauso.

Im ländlichen Uttar Pradesh regt sich zur Zeit Widerstand gegen die Verschleierung, der außer muslimische Frauen auch Hindu-Frauen in Teilen Nordindiens unterliegen. Frauen sollen möglichst im Haus bleiben und sowohl Kopf als auch Gesicht bedecken, wenn sie auf die Straße gehen.

Prabhawati, die als Kindergärtnerin arbeitet, fordert Männer heraus sich selbst zu verschleiern und dann zu versuchen ihrer Arbeit nachzugehen. Über ihre Herausforderung wurde im Online-Magazin „Feminism in India“ berichtet. In einem Interview mit dem indischen Kollektiv „Video Volunteers“ fragt sie: „Warum tragen Männer nicht auch einen Schleier? Welches Gesetz macht eine Ausnahme für die? Lasst sie sich verschleiern und dann werden sie unsere Schwierigkeiten verstehen.“

Wenn sie tatsächlich mal unverschleiert unterwegs ist, machen sich die Männer über sie lustig oder fühlen sich dazu angehalten, das zu kommentieren. So kommen regelmäßig Nachbarn zu ihrem Haus und sagen ihrer Familie, das sei ein respektloser Verstoß gegen Traditionen. Prabhawati meint, dass Männer die Praxis der Verschleierung benutzen, um Frauen zu kontrollieren. Dabei lerne man nur etwas, wenn man vor die Tür gehe, sagt sie – „stattdessen erwartet man von mir, dass ich zuhause bleibe, wie eine Hauskatze.“


Von Caren Miesenberger, Rio de Janeiro

In einem unscheinbaren, beigen Fertighaus am Stadtrand Rio de Janeiros wohnt Bruna Rangel, Initiatorin des feministischen Blogs „Não Me Kahlo“ (sinngemäß „Ich bleibe nicht still“). In ihrem Garten berichtet sie über ihren Blog, der vor drei Jahren zunächst als Facebook-Seite startete. „Viele halten das Internet für einen Ort, an dem nur oberflächliches, unvollständiges Wissen vermittelt wird. Für uns ist es ein alternatives Mittel, das andere Artikulationsformen vervollständigt“, sagt Rangel, die hauptberuflich als Anwältin arbeitet.

Ob Gewalt gegen Frauen, Schwangerschaftsabbrüche, Rassismus gegen Schwarze Frauen oder Homo- und Transphobie: die Themen von „Não Me Kahlo“ sind so vielfältig wie die fünf Frauen, die Teil des Kollektivs sind. Mit eigenen Artikeln und Übersetzungen schreiben sie gegen sexistische Tendenzen in der Gesellschaft an.

2016 ging ihr Hashtag #MeuAmigoSecreto viral, unter dem Frauen sexistische Erfahrungen mit Männern teilten. Im Anschluss daran hat das Kollektiv ein Buch herausgebracht unter dem Titel „Feminismus über das Netz hinaus“. Die Familie von Bruna Rangel zeigte wenig Verständnis für ihren Aktivismus. Erst nach dem Buch sagte sie: „Jetzt machst du also eine ernsthafte Arbeit! Vorher war das für die Spielerei in Sozialen Netzwerken.“

Aber sie findet mit dieser „Spielerei“ Gehör: Mittlerweile ist „Não Me Kahlo“ mit 1,2 Millionen Followern auf Facebook der größte feministische Blog Brasiliens. Zum Vergleich: der „Mädchenmannschaft“, dem bekanntesten deutschen Blog zu feministischen Themen, folgen rund 12.000 Facebook-User. Dass Blogs wie „Não Me Kahlo“ so beliebt sind, liegt auch an der Medienlandschaft des größten Landes Südamerikas. Dessen große Print- und Onlinemedien gehören laut „Reporter ohne Grenzen“ nur rund zehn einflussreichen Unternehmerfamilien.

„Wir werden mit Texten im Internet nicht das ganze Land verändern können. Aber wir tragen unseren Teil dazu bei, dass die Mentalität der Leute sich ändert“, sagt Rangel. So gibt es neben großen, kollektiv betriebenen Seiten wie „Não Me Kahlo“ eine Vielzahl feministischer Blogs, die bestimmte Perspektiven ins Zentrum stellen. Die „Blogueiras Negras“ fokussieren sich beispielsweise auf die Erlebnisse schwarzer Frauen. Mit ihrer Berichterstattung stellen sie ein wichtiges, unabhängiges Gegengewicht zu den etablierten Medien in Brasilien dar.

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Marinela PotorDetroit
Mittelgroß, schmale Hüften, kleiner Po, leicht rundlicher Busen: Das ist nach wie vor das dominierende weibliche Schönheitsideal in den USA. Es klingt wie eine Klischee-Beschreibung einer westeuropäischen Frau. Viele Amerikanerinnen kämpfen damit – bis sie erkennen: Sie sind nicht das Problem. 
Heike PapenfussValencia / München
Während der Franco-Diktatur wurden in Spanien unzähligen Müttern ihre Babys genommen und an Adoptiveltern verkauft. Noch bis Anfang der 80er Jahre verdienten Ärzte, Notare, Pfarrer und Nonnen an diesem Kinderhandel. Die Rede ist von geschätzt 300.000 betroffenen Kindern. Es ist auch die Geschichte von Susi Cervera und Sonia Espinosa.

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