Passend zum Weltfrauentag berichten wir heute über Frauen in Männerberufen. Unsere Korrespondentinnen in Los Angeles, Tel Aviv und Lyon haben Frauen getroffen, die etwas machen, das normalerweise von Männern dominiert wird. Wie es ihnen damit geht? Lesen Sie selbst!
Von Veronika Eschbacher, Los Angeles
Sophia Kiapos steuert den Golfwagen recht ruckartig über das Gelände. Nach kurzer Fahrt steht sie inmitten von Orangen-, Zitronen- und Avocadobäumen. „Als kleines Mädchen habe ich mir hier ständig Szenarien ausgemalt, mit Feen und Piraten und Prinzessinnen“, erzählt die 28-jährige Amerikanerin und überblickt die 10,5 Hektar große Ranch ihrer Familie nördlich von Los Angeles. „Der ganze Ort hier war meine Bühne.“
Heute muss sich die junge Filmemacherin und Regisseurin ihre Figuren nicht mehr ausdenken. Sie kommen vielmehr in Fleisch und Blut zu ihr, so wie am vergangenen Wochenende, als sie hier 130 Menschen für ihr neuestes Projekt filmte. Kiapos sagt, es sei ein „Unfall“ gewesen, dass sie in der Regie landete, einer klassischen Männerdomäne. Eine Kollegin in der Filmindustrie hatte Schwierigkeiten mit einer Tschechow-Verfilmung und bat sie, die Regie zu übernehmen. Kiapos kannte den Stoff von der Schauspielschule in London und sprang kurzfristig beim Kurzfilm „Olivia Martha Ilse“ ein.
Es war aber kein Zufall, dass sie ihre Schauspiel-Ambitionen begrub und sich entschied, in der Regie zu bleiben. Die Schauspielerin Tammy Hammard sagte eines Tages an einem Film-Set zu ihr, sie habe doch nun schon einen Vorgeschmack bekommen, wie es ist, der Puppenspieler zu sein. „Sie fragte mich: Wieso würdest du weiter die Puppe sein wollen, wenn du der Puppenspieler sein kannst?“
Mittlerweile hat Kiapos in vier Kurzfilmen und einer Fernsehserie Regie geführt. Wenn sie an einem anderen Set aushilft und sie jemand fragt, was sie macht, stellt sie sich als Filmemacherin und Regisseurin vor. „Für viele starke Männer hinter den Kulissen ist das immer noch ein Tabu“, sagt Kiapos. Sie würden dann die Augenbrauen hochziehen und nachfragen, wo Frau Regisseurin denn Regie führe. Auch Finanzierung für Filmprojekte zu finden sei für Frauen immer noch schwieriger als für Männer.
Kiapos ist sich nicht sicher, ob Regisseurinnen anders an einen Film herangehen, als Regisseure. Als Künstler, sagt sie, gehe es nicht so sehr darum, ob man ein Mann oder eine Frau sei – sondern vielmehr darum, wo die eigene Leidenschaft liege, welche Geschichten man gerne erzähle. Die meisten Regisseurinnen, die sich bisher einen Namen gemacht haben, sind heute im Independent-Film-Bereich unterwegs, seien es Drama oder Komödie. Bei Action- und Abenteuerfilmen oder im Science-Fiction Bereich seien sie äußerst rar. „Sie wurden noch nicht hinter die Kamera berufen, um ein ausschließlich männliches Team zu dirigieren“, sagt Kiapos. „In 15 oder 20 Jahren wird das aber kein Tabu mehr sein.“
Von Mareike Enghusen, Tel Aviv
Wenn es um Frauen in typischen Männerberufen geht, gibt Israel – wie in so vielen Dingen – ein recht widersprüchliches Bild ab. Vielen Europäern, die zum ersten Mal nach Israel reisen, stechen die vielen Soldatinnen ins Auge, die durch die Straßen schlendern, an Bushaltestellen warten, Checkpoints besetzen und sensible Stätten bewachen. In Khakiuniform und schweren Stiefeln, das Maschinengewehr von der Schulter baumelnd. Mit 18 Jahren werden die meisten israelischen Frauen zum zweijährigen Wehrdienst eingezogen (Männer dienen drei Jahre). Ausgenommen sind einerseits arabische Bürger sowie andererseits die meisten Ultraorthodoxen.
Jahrzehntelang wurden Frauen von bestimmten militärischen Positionen ausgeschlossen, für die Soldatinnen als nicht geeignet galten, insbesondere von Kampfeinheiten. 1996 klagte die zivile Pilotin Alice Miller vor Israels Oberstem Gerichtshof dagegen, dass sie allein aufgrund ihres Geschlechts nicht zum Kampfpilotentraining zugelassen wurde – und gewann. Im Jahr 2000 wurde ein Gesetz beschlossen, das israelischen Frauen das Recht zuschreibt, jede militärische Position besetzen, sofern sie dazu geeignet sind.
Seitdem ist die Zahl der Frauen, die sich freiwillig für kämpfende Einheiten oder das Pilotentraining melden, stetig gestiegen; doch machen sie noch immer einen kleinen Bruchteil in aus. Ähnliches gilt für leitende Positionen: Je höher der Rang, desto geringer der Anteil der Frauen, die ihn bekleiden. Es sind schlichtweg mehr Männer, die sich nach den Pflichtjahren entscheiden, freiwillig weiter in der Armee zu dienen. Doch beklagen sich manche Soldatinnen auch über eine Macho-Atmosphäre in der Armee, die ihnen den Aufstieg erschwere.
Im zivilen Leben ist das Bild ebenfalls gemischt: Einerseits erreichen Frauen höchste Positionen, wie die frühere Außen- und Justizministerin Tzipi Livni oder die aktuelle Direktorin der israelischen Zentralbank, Karnit Flug. Schon 1969 regierte eine Frau das Land, Premierministerin Golda Meir. Zugleich erreichen – ähnlich wie in Deutschland – auch in Israel nur wenige Frauen Führungspositionen in der freien Wirtschaft. Besonders schief hängt die Balance im viel gehypten Tech-Sektor: Nur knapp ein Zehntel aller Start-ups sind in weiblicher Hand.
Von Carolin Küter, Lyon
Wenn Laetitia Gautier zur Arbeit geht schlüpft sie in eine weiße Kluft: Schleifgerät, Leiter, Eimer und Pinsel im Gepäck. Die 37-Jährige ist Malerin. Sie renoviert Privatwohnungen und Bürogebäude. Die Handwerkerin arbeitet mal im Team, oft ist sie aber auch die einzige Person auf der Baustelle. Ein Alleinstellungsmerkmal hat sie immer: „Ich habe noch nie mit anderen Frauen zusammengearbeitet“, sagt Gautier, die seit knapp zehn Jahren im Beruf ist. Ein Problem sei das für sie nicht, denn schlimmen Vorurteilen sei sie bisher nicht begegnet.
Nur einmal, da sei sie zeitgleich mit einem männlichen Kollegen auf eine Baustelle gekommen und der Chef habe nur sie gefragt, ob sie wisse, wie man eine Wand tünche. Sie nehme das mit Humor und versuche, einfach gute Arbeit zu leisten. „Man muss schlagfertig und nicht schüchtern sein“, sagt Gautier. Trotzdem werde ihr durch überraschte Reaktionen von Kollegen und Kunden ständig bewusst, dass sie eine Frau und damit die absolute Ausnahme im Malergeschäft sei.
Tatsächlich gibt es kaum Französinnen, die als Handwerkerin im Bausektor arbeiten. Sie machen laut dem nationalem Statistikinstitut Insee in diesem Bereich nur zwei Prozent aus, der die Liste der männlichsten Berufe anführt. Wenig Frauen findet man zudem unter Berufskraftfahrern, Soldaten, Polizisten, Feuerwehrmännern, Informatikern, Landwirten und Holzfällern, wie eine Studie des Arbeitsministeriums zeigt.
Auf der anderen Seite stehen die typischen Frauenberufe wie Haushaltshilfen oder Sekretärin. Von ihnen sind 98 Prozent Frauen. Auch Berufe wie Krankenschwester, Verkäuferin, Erzieherin oder Lehrerin sind größtenteils feminin. In Frankreich ist mittlerweile fast die Hälfte aller Berufstätigen Frauen. Diese wählen jedoch nur wenige Berufe aus. So sind ungefähr 50 Prozent aller arbeitenden Französinnen in nur zehn Berufsgruppen tätig. Bei den Männern ist die Konzentration weniger stark. Sie haben offensichtlich leichteren Zugang zu mehr Berufen: Nur 31 Prozent von ihnen sind in den zehn großen Männerdomänen beschäftigt. Insgesamt bleibt die Geschlechteraufteilung in der Arbeitswelt sehr klassisch: Laut Insee arbeiten nur etwa zwölf Prozent der Französinnen und Franzosen in Berufen mit einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis.
Die Basis dafür wird schon im frühesten Kindesalter gelegt, sagt die Psychologin und Forscherin Françoise Vouillot, die die Regierung in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit bei der Bildung berät. Erwachsene geben ihre Vorstellungen über klassische Geschlechterrollen bewusst oder unbewusst an Kinder weiter und legen so früh den Grundstein für unterschiedliche Interessen, erklärt sie. Das fange bereits im Bauch der Mutter an: 90 Prozent der französischen Eltern wollen während der Schwangerschaft wissen, ob ihr Kind ein Junge oder ein Mädchen wird, zitiert sie eine Studie des nationalen Demographieinstituts. Ab dem Moment, ab dem das Geschlecht eines Kindes bekannt sei, werde alles dafür getan, es seinem Geschlecht entsprechend aufzuziehen, so Vouillot.
Sie nennt unterschiedliche Spielzeuge für Jungen und Mädchen als Beispiel, die immer noch weit verbreitet seien: Baukästen, die das räumliche Vorstellungsvermögen fördern und dazu anhalten, selbst etwas zu gestalten und Miniatur-Küchenutensilien, mit denen man lernt, alltägliche Dinge nachzuahmen. Selbst wenn Eltern ihre Kinder bewusst nicht nach den typischen Geschlechterrollen erziehen wollten, hätten sie nur begrenzt Einfluss, erklärt die Psychologin.
Denn dadurch, dass Kinder in Frankreich bereits ab einem Alter von drei Monaten in die Krippe und ab drei Jahren in die Vorschule gingen, würden sie sehr früh durch Strukturen außerhalb des Elternhauses geprägt, in denen die stereotypen Geschlechtervorstellungen noch sehr präsent seien. Das Bildungsministerium versucht durch die bessere Ausbildung von Erziehern und Lehrern dagegen anzugehen.
Zudem sollte in den Schulen ein Programm eingeführt werden, das Kinder geschlechterneutral erzieht. Konservative Protestbewegungen erreichten aber, dass das Programm zurückgezogen wurde. Der Widerstand gegen eine Angleichung der Geschlechterrollen und damit auch der Interessen von Männern und Frauen sei also noch sehr groß, so Vouillot. Bis sich auch die Berufswelten aneinander annähern sei es ein weiter Weg.
Für Laetitia Gautier hat sich die Frage danach, ob es kompliziert sein könnte einen typischen Männerberuf zu ergreifen, nie gestellt. Ihr Vater habe ihr von klein auf beigebracht, zu handwerkeln und ihr keine Grenzen gesetzt. Im Gegensatz zu ihrem Bruder sei sie darauf immer sehr neugierig gewesen, so die Malerin: „Ich habe es schon immer geliebt, zu handwerkeln. Das war für mich immer ganz natürlich.“