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Frauen und Kriegsberichterstattung
Wissenschaftliche Arbeit gibt Aufschluss

27. Mai 2020 | Von Linda Otto
Simone Schlindwein arbeitet als Auslandskorrespondentin in Uganda, schwerpunktmäßig für die taz und fürs Radio. Foto: privat

Gerade das Berufsfeld der Kriegsberichterstatter*innen ist männlich dominiert. Deshalb ist es spannend zu sehen, was Journalistinnen sagen, wenn man zum Beispiel fragt welche Rolle ihr Geschlecht bei ihrer Arbeit spielt. Linda Otto hat mit ihrer Masterarbeit genau das untersucht und 15 Reporterinnen interviewt. Ein interessanter Einblick in die wesentlichen Erkenntnisse.

Seit jeher ziehen Kriege mediale Aufmerksamkeit auf sich. Krieg ist relevant: Es ist die extremste Bedingung, die eine Gesellschaft erleben kann. Was Menschen dabei über einen Konflikt denken, hängt nicht nur davon ab, was am Kriegsschauplatz passiert, sondern zum großen Teil auch davon, wie darüber berichtet wird. Gleichzeitig sind sowohl Kriege als auch das System des Journalismus von Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern geprägt: Krieg ist an sich geschlechtsspezifisch, da er immer noch weithin als Domäne männlicher Handlungsfähigkeit und weiblicher Opferschaft angesehen wird.

Gerade das Berufsfeld der Kriegsberichterstatter*innen ist männlich dominiert, obwohl sich das Bild in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht hat. Umso mehr bietet es sich an, Frauen in diesem Bereich in den Fokus zu nehmen und ihre Erfahrungen hinsichtlich der Frage „Welche Rolle spielt das Geschlecht bei der Arbeit von Kriegsberichterstatterinnen?“ zu untersuchen. Anhand von 15 qualitativen Interviews mit Kriegsberichterstatterinnen, die in insgesamt 29 Ländern gearbeitet haben, kann ein Einblick in deren Sichtweise erlangt werden.

„Es gibt keine Situation, in der es [das Geschlecht] keine Rolle spielt.“*

Sowohl der Journalismus als auch das Einsatzgebiet scheint patriarchal strukturiert und von männlicher Dominanz gekennzeichnet zu sein. Bestehende Machtstrukturen im Journalismus und damit einhergehende Ungleichheiten der Geschlechter machen sich nicht nur an den Positionen in Medienunternehmen und den damit verbundenen Gehältern bemerkbar.

Vielmehr scheinen sie sich in der Kriegs- und Krisenberichterstattung zu verstärken: Es findet eine stereotypische und geschlechtsspezifische Themenzuweisung seitens der Redaktionen statt, in denen Journalistinnen eher Service- oder Lifestylethemen zugeordnet, während Journalisten in den Politikressorts angesiedelt werden: „Wenn du eine Journalistin bist, […] sollst [du] über weiche Themen schreiben, Inneneinrichtung und alle diese Themen.“

Deutlich wird dies auch an der geringeren Bereitschaft, Frauen in Kriegs- und Krisengebiete zu schicken. Da Frauen nach wie vor mit Attributen wie Schwäche oder Schutzbedürftigkeit verknüpft werden, erscheinen sie für einen Einsatz in riskanten Gebieten als ungeeigneter: „Mein Bürochef sagte: ‚[…] Bring mir eine Person, die genau deine Fähigkeiten hat, aber ein Mann ist.‘“  

Reporterinnen stehen mehr unter Beobachtung

Journalistinnen stehen dadurch noch mehr unter Druck, ihr Können bewiesen zu müssen – auch weil ihnen eher Inkompetenz unterstellt wird: „Ich glaube das Problem für Frauen ist – immer noch, bis heute – dass sie zehnmal so viel arbeiten müssen wie Männer. Sie müssen sich auf dem Feld beweisen und überall. Ich glaube, sie müssen die Menschen, mit denen sie arbeiten, dazu bringen ihnen zu vertrauen. Und das zu tun ist nicht einfach.“

Auch während ihres Einsatzes in Kriegsgebieten werden Journalistinnen häufig in ihren Kompetenzen und ihrer professionellen Rolle nicht ernstgenommen und aufgrund ihres Geschlechts lediglich als potenzielles sexuelles Interessensobjekt wahrgenommen. Ihr Aussehen wird zudem mit (fehlenden) Kompetenzen verknüpft: „Ich habe große Brüste und bin blond, also glauben sie, ich sei dumm […].“

Verstärkt wird die stereotype Verknüpfung des weiblichen Geschlechts mit Inkompetenz in der direkten Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen. So berichten die Journalistinnen, dass sie häufig nicht als Gesprächspartnerin wahrgenommen werden und ihre Weiblichkeit automatisch mit einer niedrigeren Hierarchiestufe verknüpft wird: „Man ist dann immer so eher das Anhängsel und der Mann ist der, der den Lead hat.“

Selbstbewusstsein ist das A und O

Um auf die bestehenden Strukturen zu reagieren und weiterhin erfolgreich im Journalismus arbeiten zu können, wenden die befragten Journalistinnen unterschiedliche Anpassungs- und Bewältigungsstrategien an. Hierbei schlüpfen sie in viele unterschiedliche Rollen, um so auf die vielfältigen Erwartungen, die an Journalistinnen im Feld gestellt werden, reagieren zu können. So scheint es wichtig, sehr selbstbewusst und bestimmt aufzutreten: „Du willst nicht aussehen, wie das kleine, süße Ding. Dann wären alle hinter dir her und würden es ausnutzen.“

Ein solches Auftreten fördert zum einen, dass Journalistinnen in ihren Anliegen ernster genommen werden, schützt sie zum anderen aber auch vor sexuellen Übergriffen. Gerade hier sehen sich Journalistinnen – wie Frauen im Allgemeinen – einer großen Gefahr ausgeliefert, da sexuelle Gewalt eine andauernde Problematik ist, die oftmals auch als maßgeblicher Teil der kriegerischen Strategie angewandt wird.

Deshalb nennen einige der Befragten hier ausschlaggebende Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Wo Journalistinnen in Gesprächen mit Informanten versuchen Distanz zu wahren, können ihre Kollegen informellere Kommunikationsarten nutzen. Bezeichnend ist allerdings auch, dass ein derartig selbstbewusstes Auftreten häufig zu Irritationen führt.

Das Abweichen von der vorherrschenden, erwarteten Frauenrolle, die sich durch Unterordnung auszeichnet, führt dazu, dass ihr Geschlecht – vor allem bei westlichen Journalistinnen – neu ausgehandelt wird. Die starren Grenzen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit verwischen: „Du kommst an und bist sehr beharrlich und selbstbewusst […] und es ist, als würdest du ein kleiner Mann werden. […] Du bist kein Mann, aber du bist auch nicht wirklich eine Frau, also was bist du? Du bist ein kleiner Mann.“

Stereotype für sich nutzen

Als weitere Strategie können teilweise herrschende Stereotype aufgegriffen und zum eigenen Vorteil genutzt werden: „Wir Frauen haben natürlich auch unsere Techniken, ob es flirten ist oder lächeln, ob es ist, ein bisschen naiv zu spielen; die Blondine zu sein, die nichts über Waffen weiß, oder dumme Fragen zu fragen.“ So können die Erwartungen, die an die Rolle der Frau geknüpft werden und die damit einhergehende Unterschätzung zum erweiterten Informationszugang genutzt werden.

Besonders ein gezielter Wechsel zwischen unterschiedlichen Rollen scheint ausschlaggebend zu sein. Journalistinnen müssen sich je nach Situation schnell anpassen und auf herrschende Machstrukturen und Kontexte reagieren können: „Du musst wissen, wie du die Situation schnell einschätzen kannst […], weil du dich verändern musst, manchmal ist es sehr viel besser das dumme, süße Ding zu sein, als die Feindselige, sehr Selbstbewusste. Es ist sehr unterschiedlich, du musst die Situation einschätzen und danach spielen.“

Journalistinnen tragen enorme Kosten  

Was nicht außer Acht zu lassen ist, ist der ökonomische Rahmen, in dem sich Journalist*innen, die in Kriegsgebieten arbeiten, befinden. Die Befragten berichten, dass gerade die ökonomische Logik des Mediensystems, das sich oftmals durch prekäre Arbeitsbedingungen auszeichnet, einen entscheidenden Einfluss auf die Möglichkeiten der Jobausübung mit sich bringt: Fixer*innen, Übersetzer*innen und Sicherheitspersonal sind Kostenfaktoren, die enorm hoch sind und die Journalist*innen häufig selbst tragen müssen. Besonders frei arbeitende Journalist*innen müssen mit geringen Mitteln in den vielfältigen Gefahrensituationen auskommen, was zu einer schlechteren allgemeinen Sicherheitssituation führt.

Insgesamt ist die Kriegsberichterstattung immer noch von männlicher Dominanz und patriarchalen Strukturen gekennzeichnet, die die Erlebnisse der Akteur*innen formen, Rollenerwartungen an Geschlechter produzieren und damit bestimmte Dinge für Journalistinnen erwünscht und andere unerwünscht machen. Zu nennen ist an dieser Stelle allerdings auch, dass Journalistinnen hiervon durchaus unterschiedlich betroffen sind. So verstärken sich diese Effekte, etwa auf Grund der Herkunft der Journalistin und damit einhergehenden Rollenerwartungen und fehlenden Schutzmöglichkeiten.

Dabei kann der Einsatz von Berichterstatterinnen den Journalismus diverser und ausgeglichener machen: Wo einerseits Frauen der Zugang verweigert wird, kann das weibliche Geschlecht andererseits Türen öffnen. So ist etwa der Zugang zu Frauen, insbesondere solcher, die im Krieg Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, einfacher. Würde man entsprechend umsteuern, läge der Fokus der Berichterstattung deutlich mehr auf den Auswirkungen für die zivile Bevölkerung. Außerdem würden unterschiedliche Perspektiven einbezogen werden können.

Derzeit kann ein leichter Trend dahingehend festgestellt werden, dass mehr Journalistinnen in Kriegs- und Krisengebieten eingesetzt und sowohl in der Medienlandschaft als auch in den Kriegsgebieten mehr akzeptiert werden. Nichtsdestotrotz sind die Arbeitsbedingungen durch Strukturen, in denen Weiblichkeit immer noch mit Stereotypen wie Inkompetenz, Passivität und Machtlosigkeit verknüpfen wird, stark geschlechtsspezifisch.

 

* Die eingefügten Zitate stammen aus den Interviews mit Kriegsberichterstatterinnen, die namentlich nicht genannt werden; teilweise wurden sie aus dem Englischen übersetzt.

 

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Von Linda Otto, Berlin

Linda Otto studierte Soziologie und Kommunikationswissenschaft an der LMU München sowie Politische Kommunikation an der FU Berlin. Während ihres Studiums arbeitete sie in unterschiedlichen politischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen mit Fokus auf die MENA-Region. Ihr Schwerpunkt liegt auf: Geschlechtergerechtigkeit, Medien und Migration und Journalismus in Krieg und Krisen.

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