Wer sein Vermögen absichern möchte, hat ein Bankkonto in der Schweiz. Genau da hat die Schweizerin Olga Miler den blinden Fleck der Industrie entdeckt: die Frauen. Sie hat die vergessene Kundschaft ins Zentrum gerückt und will Frauen mit einem einfachen Tool weiterhelfen.
Claudia Müller, Zürich
„Frauen und Geld“, so heißt der Blog von Olga Miler, der seit Januar 2020 auf dem Schweizer Newsportal watson.ch zu lesen ist. Sie schreibt, wie frau Lohnverhandlungen führt, wie sie am besten ihr Geld anlegt und die Schuldenfalle vermeidet. Geld wird nicht als komplexes Finanzprodukt abgehandelt, sondern praktisch beleuchtet. „Finanzbildung ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, das zu wenig in den populären Medien diskutiert wird”,sagt Miler. Dass Frauen im Fokus des Blogs stehen, hat damit zu tun, dass sie ihrer Meinung nach vom Finanzsektor vernachlässigt wurden.
Dabei ist Miler überzeugt: Frauen investieren nachhaltiger und können die Welt insgesamt besser machen. Den Blog schreibt die 44-jährige Ökonomin, zweifache Mutter und Unternehmerin unentgeltlich. Denn solides Finanzwissen soll ihrer Meinung nach in der Schweiz für alle zugänglich sein – nicht nur für Akademiker*innen. In ihrer zehnjährigen Laufbahn bei der Schweizer Traditionsbank UBS, wo sie unter anderem als Executive Director der Superreichen gearbeitet hat, hat die Zürcherin mit tschechischen Wurzeln schon unzählige Fragen über Geld beantwortet – am Arbeitsplatz, aber auch privat. Jetzt teilt sie ihr Wissen kostenlos im Netz.
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Außerdem ist sie Mitglied der „Financial Alliance For Women“. Das weltweite Netzwerk, welches Frauen in der Wirtschaft fördert, hat vergangenes Jahr einen Bericht veröffentlicht, der aufzeigt, dass 85 Prozent der 4.000 befragten Frauen täglich über das Haushaltsbudget bestimmen. Auch über die Vorsorge und langfristigen Investitionen entscheiden gut 58 Prozent der Frauen. Allerdings hat der Bericht auch gezeigt, dass Frauen massive Lücken aufzeigen, wenn es um Finanzen geht. „Olga war eine Vorreiterin bei der Demokratisierung des Zugangs zu finanzieller Bildung für Frauen und hat dadurch die finanzielle Unabhängigkeit und das Vertrauen der Frauen gestärkt“, erklärt Rebecca Ruf, die mit Miler im Rahmen des Netzwerks an verschiedenen Projekten gearbeitet hat.
Getriebene und sanftmütige Leaderin
Dabei ist Olga Miler alles andere als ein weiblicher Filmheld à la Gordon Gekko aus dem Kultfilm „Wall Street“ von 1987, der eine ganze Generation von Wirtschafts*studentinnen und Banker*innen geprägt hat. Habgier und Profit sind mehr wert als Menschenleben – das hat Gekko verkörpert und in Coolness verpackt. Miler ist zwar auch eine erfolgreiche Bankerin, aber ihr geht es um etwas anderes: Die Erschließung der Frauen als Kundinnen und diese so gut zu informieren, so dass sie wissen, worüber sie in Sachen Finanzen entscheiden.
Sie ist von ihrer Mission getrieben und hat mit viel Durchhaltewillen den Schweizer Finanzsektor aufgerüttelt. Im Gespräch erscheint sie zielgerichtet, aber sanftmütig. Eine Leaderin, die eher an Prinzessin Leia von „Star Wars“ erinnert als an einen skrupellosen Banker. Das anfängliche geschäftliche Anliegen – einen vergessenen Kundenkreis zu erschließen – ist längst zu einer idealistischen Mission geworden.
Denn mehr Frauen als Kunden zu gewinnen bringt auch mehr Frauen in Berührung mit Geld und Investitionen. Und dies führt wiederum zu mehr Gleichberechtigung und Emanzipation. Eine Tatsache, die durch das Programm, welches Miler bei der UBS ins Leben gerufen hat, deutlich geworden ist. „Und da Frauen lieber sinnstiftend und nachhaltig investieren, und weniger auf das schnelle Geld aus sind, wäre unsere Welt in puncto Klimaveränderung auch schon eine andere“, glaubt Miler.
Programm von Frauen für Frauen
Bei der Schweizer Bank UBS hat sie 2016, zusammen mit Mara Catherine Harvey, das Fünfjahresprogramm „Unique“ ins Leben gerufen. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, weibliche Kunden besser zu betreuen, das finanzielle Vertrauen von einer Million Frauen zu stärken und der UNO zu helfen, ihr Ziel zu erreichen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben und Frauen und Mädchen zu empowern. Allein im ersten Jahr hat das Programm mehr als 27 Millionen Menschen erreicht. Außerdem kann die Bank inzwischen mehr zufriedene Frauen als Kunden zählen, wodurch sich ihr Image verbessert hat und was zu einer größeren Diversität im Unternehmen geführt hat.
Zudem wurde ein besonderes Finanzprodukt namens „gender equality etf“ entwickelt, das sich an Unternehmen richtet, die sich um Gleichberechtigung bemühen. Weltweit gibt es nur zwei Produkte dieser Art. Damit ist es ihr gelungen, der Banken- und Finanzwelt vor Augen zu führen, dass Frauen sich durch die Art und Weise, wie bislang kommuniziert wurde, nicht angesprochen fühlten.In ihrer Rolle als Innovatorin und Gender-Expertin hat Miler mittlerweile bei mehr als 60 Veranstaltungen weltweit über Geschlechtergleichstellung, finanzielles Vertrauen und die Stärkung der Rolle der Frau gesprochen.
Frauen nicht anzusprechen sei eine verpasste Chance, denn sie seien eine riesige Zielgruppe, die statistisch gesehen weniger risikofreudig sei, aber dafür nachhaltiger agiert. Das Publikum reagierte auf die kleine Person mit großer Tatkraft und beeindruckender Karriere unterschiedlich. Sie wurde nicht selten ausgelacht wegen des „rosaroten Frauenprogramms“, aber es gab auch begeisterte Männer, die ihren Ansatz durchaus mitgetragen haben. Von den vielen Männern um sie herum ließ sie sich übrigens nie einschüchtern nach dem Motto „Mir ging es nur um die Sache“.
Frau in einer Männerbastion
Das Bild einer Frau, die aufgrund ihres Geschlechts etwas nicht machen kann, existierte bei Miler nicht. Die Ökonomin ist in einem Haushalt groß geworden, wo Mutter und Vater als Selbständige arbeiteten. „Bei uns zu Hause war jede Idee eine gute Idee. Kreativität wurden keine Grenzen gesetzt und eigene Interessen gefördert. Das Geschlecht spielte dabei keine Rolle. Und wenn was schief ging, habe ich gelernt, wieder aufzustehen und weiterzumachen.“
Eine kürzlich erschienene Studie der Migros Bank in der Schweiz zeigt, dass sich die jüngere Generation der 18- bis 25-Jährigen nicht für Investitionen oder Produkte der Banken interessiert. Das Geld bleibt auf dem Sparkonto liegen. Der Grund? Die meisten wissen nicht, wie man Geld anlegt oder investiert. Sie verstehen nicht, welche Dienste die Banken anbieten oder verkaufen. Grundsätzlich scheint es der Branche nicht leicht zu fallen, diverser und inklusiver zu kommunizieren. „Es geht langsam vorwärts, und es braucht einen langen Atem“, so Miler. Auch deshalb hat sie jetzt ihr eigenes Toolkit für Frauen in puncto Finanzbildung auf die Beine gestellt.
Unternehmen liegt Miler im Blut. Dieses Jahr hat sie zusammen mit der Britin Jude Kelly „SmartPurse“ ins Leben gerufen. Die Idee: Frauen coachen Frauen in Sachen Geld. Mit einem einfachen Programm sollen schon bald Frauen auf der ganzen Welt in wenigen Schritten ihr Geld smart anlegen können, aber auch die Vorsorge auf die Reihe bekommen. Laut dem Bundesamt für Statistik der Schweiz ist es immer noch so, dass Frauen ab 65 mehr Lücken in ihrer betrieblichen Vorsorge aufweisen und deshalb doppelt so häufig wie Männer von Altersarmut betroffen sind.
Das hat mit Teilzeitarbeit, niedrigeren Einkommen, Erwerbsunterbrechungen, aber auch einer längeren Lebenserwartung zu tun. „SmartPurse“ hat vor allem in England Investor*innen gefunden, deshalb hat es seinen Sitz auch im Vereinigten Königreich. „England ist, was Diversität und Gender Equality angeht, der Schweiz weit voraus. Außerdem ist London ein Innovations-Hub. Und meine Co-Gründerin Jude Kelly ist Engländerin.“ Die Technologie hinter der Plattformund die kommende App seien aber „Made in Switzerland“, beteuert Miler. Zu Hause in Zürich diskutiert sie regelmäßig auch mit ihren Söhnen über Geld, um ihnen von Kindesbeinen an, ein geschärftes Bewusstsein für das Thema mit auf den Weg zu geben.