Sie kämpft für mehr Umweltschutz und jetzt auch gegen Rassismus: Die 23-jährige Vanessa Nakate ist Gründerin der „Fridays for Future“-Bewegung in Uganda.
Von Simone Schlindwein, Kampala
Als der Victoriasee unweit ihres Hauses in Ugandas Hauptstadt Kampala über die Ufer trat, habe dies ihr Leben von Grund auf verändert, erzählt Vanessa Nakate. „Was ich dort sah, hat mich aufgerüttelt“, sagt sie und reißt auch heute noch die Augen auf vor Schreck. Die 23-jährige Uganderin sitzt zum Interview wieder dort, wo sie an jenem Sonntagabend Anfang Januar dieses Jahres saß, als sie entschied, endlich selbst aktiv zu werden. Damals schaute sie vor dem Abendessen mit ihrer Mutter im ugandischen Fernsehen die Nachrichten.
Wenn sie erzählt, dann sieht sie die Bilder noch immer vor sich, gibt sie zu: Nach heftigen Regenfällen hatte das Wasser des Victoriasees, keine fünf Kilometer von dem Einfamilienhaus in einem Mittelklasse-Wohnviertel entfernt, in welchem Nakate mit ihren Eltern und Geschwistern lebt, Holz- und Lehmhütten eines Fischerdorfs am Ufer überschwemmt. „Das schmutzige Seewasser stand den Menschen bis zum Hals“, erinnert sie sich.
Eine Mutter trug ihr Kleinkind über dem Kopf, um es aus den Fluten zu retten. Sie habe geweint und sei verzweifelt gewesen, so Nakates Eindruck. Haus und Habe hätten die Anwohner*innen verloren. „Da wurde mir klar: Es ist Zeit, etwas zu ändern“, sagt Nakate heute. Die kesse, hübsche Frau mit den lockigen Haaren nickt bekräftigend: „Klimawandel ist in Afrika kein Problem der Zukunft, sondern passiert schon jetzt.“
Alleine zum Protest
An jenem Abend im Januar hätte sie eigentlich aufgeregt sein sollen, weil am Tag darauf die Abschlusszeremonie an der staatlichen Makerere-Universität anstand, an der sie Wirtschaft studierte. In den vergangenen sechs Monate hatte sie an ihrer Abschlussarbeit zum Thema Klimawandel gesessen. Sie hatte recherchiert, wie anhaltende Regenfälle und lange Dürreperioden die Landwirtschaft in ihrem Uganda beeinflussen, in welchem ein Großteil der ländlichen Bevölkerung von dem lebt, was im eigenen Garten wächst.
Doch nach den Abendnachrichten hatte sie die Uni-Abschlussparty schon fast vergessen. Anstatt sich hübsche Kleider zurechtzulegen und sich die Haare zu machen, habe sie die ganze Nacht daran gesessen, ein Plakat zu zeichnen: „Green Love, Green Peace – Climate Strike NOW – Thank you for Global Warnung!“ stand darauf.
Direkt nach der Ansprache des Universitätsdekans am nächsten Vormittag sei sie in ihrem schwarzen Universitäts-Talar und dem eckigen Hut vom Campus gestürmt, um sich mit dem Plakat auf eine der geschäftigsten Straßenkreuzungen der staugeplagten Innenstadt Kampalas zu stellen. Dies war der Anfang der „Fridays for Future“-Bewegung in Uganda. „Ich stand dort stundenlang alleine. Und auch die nächsten Freitage war ich meist ganz allein“, so Nakate rückblickend.
Aus dem Foto herausgeschnitten
Doch schon Ende Januar reiste sie auf Einladung der „Fridays for Future“-Bewegung nach Davos, wo im schweizerischen Touristenort das jährliche Weltwirtschaftsforum abgehalten wurde. Dort hielten jugendliche Aktivistinnen, darunter Initiatorin Greta Thunberg, eine Pressekonferenz ab und ließen sich anschließend auf der Terrasse des Konferenzzentrums fotografieren. „Ich habe später online nachgesehen, was die Journalisten geschrieben haben“, erinnert sie sich.
„Erst habe ich das Foto nur auf Twitter gesehen und dachte, es wurde verkleinert für die sozialen Medien. Doch dann habe ich den Artikel gesehen: Auch dort war nur der Zipfel meiner Jacke zu sehen“, sagt sie. Die Bildredakteur*innen hatten sie als einzige mit dunkler Hautfarbe aus dem Bild geschnitten, zu sehen waren nur die anderen vier – weiße Mädchen, darunter Greta Thunberg. „Es war, als ob ich nicht existiere!“, so Nakate.
Nakate war geschockt, sagt sie und erzählt, sie habe einen Antwort-Tweet auf den Artikel geschrieben, nach dem Motto: „Ich war Teil dieser Gruppe, aber sehe mich nicht auf dem Foto – warum habt ihr mich ausgeschnitten?“ Sie gibt zu: „Ganz ehrlich, ich habe in diesem Moment nicht geahnt, wie viral das gehen würde.“ Als sie die Reaktionen auf ihren Kommentar auf Twitter sah, hat sie das ermutigt, ein Video auf Twitter zu posten. „Aber dann bin ich live vor der Kamera zusammengebrochen und habe geweint“, sagt sie. Das sei ihr sehr peinlich gewesen.
Immerhin: Das Video zeigte Wirkung. Die Chefredakteurin des Magazins, das sie aus dem Foto herausgeschnitten hatte, habe sich daraufhin bei ihr entschuldigt. „Aber sie haben mich immer noch als „afrikanische Klima-Aktivistin“ bezeichnet anstatt meinen Namen zu nennen“, sagt Nakete kopfschüttelnd. Doch letztlich habe dieser Zwischenfall dazu geführt, dass „wir Aktivist*innen in Afrika nun unsere Stimme erheben. Denn es ist ganz klar Rassismus“, sagt sie.
Doch die Sache mit dem Foto hat sie in Uganda – und sogar weltweit – berühmt gemacht. Seitdem bekommt sie bei ihren Demos in Kampala Unterstützung: „Wenn ich freitagfrüh auf Twitter bekannt gebe, wo ich an diesem Tag streiken werde, dann stehen dort schon andere Leute mit Plakaten.“ Mittlerweile protestieren Vanessa Nakate und ihre Anhänger*innen nicht nur gegen den Klimawandel, sondern auch gegen den weltweiten Rassismus.