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„Die Schweizer sind vielfältig“
Interview mit Perla Ciommi

18. Juli 2018 | Von Pauline Tillmann
Perla Ciommi (2. v. l.) gehört zum Gründungsteam der neuen Schweizer Plattform "Lucify.ch". Foto: privat

„Lucify.ch“ ist eine neue partizipative und interkulturelle Webplattform in der Schweiz. Sie wurde von zehn Journalistinnen und Medienproduzentinnen verschiedener Herkunft ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, eine weibliche und internationale Perspektive in die Schweizer Medienlandschaft zu bringen. Wir haben mit einer der Initiatorinnen gesprochen.

Was ist die Idee hinter „Lucify.ch“?

Unsere Online-Plattform ist interkulturell und von Frauen gemacht. Damit wollen wir in erster Linie gute Inhalte anbieten. Das heißt, Migrantinnen berichten über das Leben in der Schweiz. Dadurch empowern sie sich, weil sie selber entscheiden, was und wie sie erzählen wollen. Gleichzeitig fördern wir damit den Austausch zwischen den Kulturen, weil es sich um ein partizipatives Projekt handelt. Das heißt, es kann sich theoretisch jeder daran beteiligen – sowohl Schweizer als auch Ausländer.

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Warum braucht es so ein Projekt in der Schweiz?

Unserer Meinung nach vermitteln die meisten Medien in der Schweiz ein Bild, das nicht – mehr – zur Realität passt. Die Gesellschaft in der Schweiz ist, so wie ich sie jeden Tag erlebe, sehr vielfältig und diese Vielfalt erfahre ich in den Medien nicht. Deshalb braucht es „Lucify.ch“.

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Warum gibt es immer noch so wenige Medienmacherinnen mit Migrationshintergrund, was glaubst du?

Nehmen wir das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Eigentlich hat es den Auftrag, die Vielfalt in der Schweiz abzubilden und zur Integration der verschiedenen Kulturen beizutragen. Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, wie das gelingen kann, aber bis heute hat sich daran wenig geändert. Ich glaube, es fehlt vor allem an Mut und daran, anderen Kulturen Platz einzuräumen. Es gibt zwar einige Deutsche, die beim SRF arbeiten, aber es gibt nicht nur Deutsche in der Schweiz. Es gibt viele, die eine andere Muttersprache sprechen und die kommen so gut wie gar nicht vor. Die Schweiz ist noch immer von konservativen und nationalistischen Werten geprägt, die meiner Meinung nach gar nicht mehr in eine kosmopolitische Gesellschaft passen. Außerdem ist es für Migrantinnen noch immer schwer, in den Medien überhaupt Fuß zu fassen, weil sie nicht die entsprechenden Netzwerke haben.

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Du sitzt in Bern, ist die Situation in Zürich besser?

Nein, auch in Zürich sieht man kaum Migrantinnen im Schweizer Fernsehen. Das hat damit zu tun, dass man ein Bild von der Schweiz vermitteln will wie es vor 200 Jahren ausgesehen hat. Das heißt, man hält damit starr an Traditionen fest und hat Angst, das zu verändern. Aber eine Gesellschaft braucht Veränderung und deshalb braucht es Projekte wie unseres, wenn die etablierten Medien sich nicht auf die neuen Gegebenheiten einstellen wollen oder können. Denn in Wirklichkeit gibt es ganz unterschiedliche Arten von Schweizern.

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Welche Erfahrungen hast du persönlich mit Redaktionen gemacht?

Ich war vier Jahre beim Radiosender „RaBe“ Teil einer interkulturellen Redaktion und es war so spannend mit Menschen zusammenzuarbeiten, die unterschiedliche Kulturen haben. Sie nehmen ganz natürlich verschiedene Blickwinkel ein und davon können sowohl die Macher als auch die Leser enorm profitieren.

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Woher kam denn die Anschubfinanzierung?

Wir hatten am Anfang Unterstützung vom Bund (Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen) und von der Stadt Bern, um das Eröffnungsfest entsprechend groß aufzuziehen. Damit können wir etwa 40 Prozent der Kosten decken. Aber insgesamt basiert es, momentan jedenfalls, auf ehrenamtlichem Engagement. Wir suchen nach weiteren Finanzierungsmöglichkeiten und haben auch zwei Stiftungen in Aussicht, aber parallel dazu läuft ein Crowdfunding auf unserer Webseite für Menschen, die uns mit einer Spende unterstützen wollen. Unser Ziel sind zwölf Artikel im Monat und die müssen natürlich auch korrigiert und übersetzt werden. Wir haben damit also laufende Kosten, die entsprechend gedeckt werden müssen.

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Wie sieht euer Geschäftsmodell mittelfristig aus?

Wir werden mit dem Kulturradio „RaBe“ in Bern kooperieren. Wir sehen das aber eher als Austausch – das heißt, sie bekommen von uns Artikel und wir bekommen Artikel von ihnen. In der Pilotphase wollen wir unterschiedliche Sachen ausprobieren. Nach ein, zwei Jahren werden wir wissen, ob wir daraus ein Geschäftsmodell entwickeln können, womit sich das Projekt mittelfristig trägt.

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Und was machst du ansonsten, um Geld zu verdienen?

In den letzten Monaten habe ich sehr viel Zeit für „Lucify.ch“ aufgewendet, weil ich mich ja auch um die Webseite gekümmert habe. Im Moment arbeiten wir alle ehrenamtlich und finanzieren die Arbeit quer. Ich bin zum Beispiel in einer Film- und Kommunikationsagentur tätig. Aber wenn das Projekt erst mal richtig angelaufen ist, wollen wir die Artikel und auch die ganze administrative Arbeit im Hintergrund irgendwann schon auch honorieren.

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Wie seid ihr auf den Namen „Lucify“ gekommen?

Wir haben nach einem Frauennamen gesucht und eine kam mit dem Namen „Lucy“. Dann stellte sich den meisten die Frage: Wer war Lucy? Das war ja das fossile Teilskelett, das in Äthiopien gefunden wurde und wir dachten: Das ist eigentlich die Ur-Ur-Mutter aller Frauen! Das heißt, es ist etwas, das uns alle eint und dadurch, dass wir alle Frauen ansprechen wollen – egal welcher Nation oder Kultur sie angehören – hat das gut gepasst. Außerdem bedeutet „lucify“ auf Englisch erleuchten oder beleuchten – und auch das stimmt mit unserer Mission überein.

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Was waren bisher die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung ist, dass es eine offene Plattform ist. Wir sind eine große Gruppe, die sehr beweglich ist. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Wir kommunizieren zum Beispiel über WhatsApp und ständig kommen neue Leute dazu, andere gehen weg. Wir sitzen in Zürich, Luzern, Lausanne und Bern. Das heißt, die Koordination der verschiedenen Ideen ist nicht immer ganz einfach. Auf der einen Seite wollen wir uns stärker professionalisieren und uns so etwas wie eine Struktur geben und auf der anderen Seite wollen wir offen und partizipativ sein. Das ist nicht selten ein Widerspruch, mit dem wir zu kämpfen haben.

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Was sind die wesentlichen Ziele für die nächsten zwei Jahre?

Wir wollen eine zentrale Stimme für Frauenthemen, Menschenrechte und die vielfältigen Kulturen in der Schweiz werden. Das oberste Ziel ist, die Plattform finanziell zu konsolidieren, so dass sie sich trägt. Außerdem müssen wir eine Community aufbauen, weil wir auch auf Inhalte setzen, die von den Nutzern kommen – also User-generated Content. Dafür muss man die Menschen motivieren, mitzumachen. Das versuchen wir zum Beispiel bei öffentlichen Veranstaltungen. Wir sagen: Es geht darum mitzureden, mitzumachen und so auch am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Allerdings wissen wir alle auch, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben bis uns das gelingt.

 Weitere Infos: 

Die Idee für „Lucify.ch“ entstand vor gut einem Jahr. Im Dezember wurde das Projekt gegründet, am 20. März 2018 ging die Webseite offiziell online. „Es ist eine gute Zeit, um ein neues journalistisches Projekt in der Schweiz zu starten“, glaubt die 39-jährige Mitgründerin Perla Ciommi, die ursprünglich aus Italien stammt. Der Grund: „Das Publikum will mehr Austausch mit den Medien und mit unserem interaktiven Projekt liefern wir genau das.“ Das Zielpublikum sind alle Schweizer, insbesondere andere Frauen und Migrantinnen. Das Projekt ist an den Trägerverein „Vita InterAktiva“ angedockt, welches als Beratungsorgan fungiert und die nötige finanzielle Struktur gewährleistet. 

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Von Pauline Tillmann, Konstanz

Pauline Tillmann ist Gründerin und Chefredakteurin von DEINE KORRESPONDENTIN. 2011 bis 2015 war sie freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg und hat für den ARD Hörfunk über Russland / Ukraine berichtet. Zuvor hat sie beim Bayerischen Rundfunk volontiert. Pauline ist regelmäßig als Coachin, Beraterin und Speakerin im Einsatz. 2022 erschien ihr Buch „Lust auf Lokal – das Handbuch für Community-Journalismus“, außerdem hat sie das Buch „Frauen, die die Welt verändern“ herausgegeben. Mehr unter: http://www.pauline-tillmann.de.

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Mareike GraepelHaltern
Die US-Amerikanerin Cindy O’Brien lebt seit den 90er Jahren in Connemara, ganz im Westen von Irland und züchtet seltene Seeschnecken. Die sogenannten japanischen Abalone gedeihen an der irischen Küste gut. Sie gelten als Delikatesse und Aphrodisiakum, kosten bis zu 44 Euro pro Kilo – und sehen aus wie Vulven.

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