Die Suche nach einem Partner ist oft beschwerlich und verursacht Stress. Manche vergleichen sie mit einer langen Castingshow, andere mit schweißtreibenden Bewerbungsgesprächen oder der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Fünf Korrespondentinnen berichten, welche Anstrengungen Frauen in Japan, Myanmar, Frankreich, Chile und den USA bei der Suche nach ihrer zweiten Hälfte unternehmen. Denn über Single-Frauen wird in den meisten Ländern nach wie vor die Nase gerümpft.
Von Verena Hölzl, Yangon
Kitsch und Romantik sind in Myanmar allgegenwärtig. Aus den Radios säuseln fast ausschließlich Cover-Versionen der schlimmsten Schnulzen, die Plastikstühle von Straßenrestaurants sind bevorzugt rosarot: „Love is all around“. So auch an den beiden Seen in Yangon, den Dating-Hotspots der Stadt. Immer wenn die Sonne untergeht, kommen junge Paare in Scharen. Meistens sind es Teenager. Verschämt verstecken sie sich hinter Sonnenschirmen, wo der Junge dem Mädchen den Arm um die Schulter legt oder scheu Händchen gehalten wird. Vom Gebrauch von Love Hotels sind die meisten an dieser Stelle noch weit entfernt.
Myanmar ist auch rund fünf Jahre nach der demokratischen Öffnung, die den Einfluss des Westens auf das einst konservierte Land zuließ, noch sehr konservativ. Frauen tragen traditionell hochgeschlossene Blusen und lange Wickelröcke. Tauchen im Internet Fotos von Burmesinnen auf, die zu viel Dekolleté zeigen, kann das schon mal einen Sturm der Entrüstung in den Sozialen Netzwerken auslösen.
Wer alleine unterwegs ist („Only one?“), wird von den Burmesen meist mit einem bedauernden „Oaaah“ gepaart mit großen Augen bedacht. Singlesein ist ein außergewöhnlicher bis beklagenswerter Zustand. Heiraten ist in Myanmar vor allem in den ländlichen Gegenden, wo die Armut sehr groß ist, eine essentielle Aufgabe, die junge Leute ihren Familien gegenüber erfüllen müssen. So trägt es sich teilweise zu, dass etwa im Teilstaat Chin, einer der ärmsten Gegenden des Landes, Frauen Männer heiraten, die sie nur von Facebook und Viber kennen. Die 19-jährige Esther Ngun zum Beispiel. Sie kennt ihren Ehemann nur flüchtig. Er ist von Myanmar nach Malaysia emigriert, um dort Geld zu verdienen – und konnte so bei seiner eigenen Hochzeit nicht anwesend sein. Da die Burmesen höchsten Wert darauf legen, dass ein professioneller Fotograf wichtige Lebensereignisse festhält, gab es dennoch ein Hochzeitsfoto: Der Bräutigam wurde darauf erst nachträglich per Photoshop ins Bild gemogelt.
Von Carolin Küter, Lyon
Ophélia war 30, als sie feststellte: Partys, Hochzeiten und zufällige Bekanntschaften bringen sie nicht weiter. „Ich habe nie jemanden kennengelernt, mit dem ich eine ernste Beziehung hätte eingehen können“, so die Steuerberaterin aus dem ostfranzösischen Lyon. „Da habe ich gedacht, es wird Zeit, dass ich meinen Hintern in Bewegung setze.“ Ophélia ging shoppen: vorzugsweise große Männer, die sich schriftlich gut ausdrücken können, gebildet, aber nicht zu karrieristisch sind. Im Frühling 2014 landete Emmanuel in ihrem Einkaufswagen. Ein 1,96 Meter großer Manager aus der Informatikbranche, der sie beim ersten Date zum Lachen brachte und Wert darauflegt, ein Leben neben der Arbeit zu haben. Vor ein paar Monaten haben sich die beiden ein Häuschen auf dem Land gekauft. Im Herbst erwarten sie ihr erstes Kind.
Wie Ophélia einen Mann im Internet zu „bestellen“ ist für viele Französinnen normal geworden, seitdem es die Online-Dating-Seite „adopte un mec“ gibt (deutsch: adoptiere einen Typen). Das Angebot richtet sich vor allem an Frauen und Männer unter 35. Die Userinnen schauen sich auf der Seite die „regionalen Produkte“ an, wenn sie einen Mann suchen, der in der Nähe wohnt und können wählen, ob sie jemanden möchten, der beispielsweise mit Rückgabeschein oder Kind „geliefert“ wird. Die Idee, Männer zumindest augenzwinkernd als Konsumgüter zu verkaufen, kommt an. Die Seite gehört zu den beliebtesten Online-Dating-Seiten Frankreichs. „Ich fand das Konzept einfach witzig“, sagt Ophélia.
Wie in vielen europäischen Ländern wird die Online-Partnersuche auch in Frankreich immer beliebter. Mit dem Internet hat sich das Konzept Partnervermittlung überhaupt erst durchgesetzt, folgert das nationale Demographieinstitut INED in einer Untersuchung. Nur zwei Prozent der Bevölkerung gaben demnach in den 1980er-Jahren an, schon einmal über eine Kontaktanzeige gesucht zu haben. Heute haben 40 Prozent der Französinnen und Franzosen mindestens einmal in ihrem Leben Online-Vermittler genutzt, so eine Studie des Meinungsforschungsinstituts IFOP von 2015. Frauen sind dabei, zumindest in jüngeren Jahren, zurückhaltender als Männer. Mit zunehmendem Alter gleicht sich das Geschlechterverhältnis jedoch an. Denn ab einem Alter von etwa 40 Jahren wird es für Frauen schwieriger als für Männer jemanden zu finden, wie die Statistiken zeigen.
Generell gilt jedoch, dass immer mehr Französinnen ihr Liebesglück zwar im Internet suchen – aber nicht unbedingt auch dort finden. Laut INED lernt der Großteil der Frauen ihren Partner immer noch dort kennen, wo der Zufall regiert: Bei der Arbeit, durch Freunde und beim Ausgehen.
Von Sonja Blaschke, Tokio
Viele Japanerinnen fühlen spätestens Anfang 30 den Druck, möglichst bald unter die Haube zu kommen. Zwar ist es nicht mehr so extrem wie noch vor 20 Jahren, als ledige Frauen mit über 25 als „Weihnachtskuchen“ tituliert wurden – weil dieses Gebäck nach dem 25. Dezember auch niemand mehr wolle. Aber trotzdem ist es noch heute so, dass die Wünsche von Eltern und Schwiegereltern nach Enkelkindern bald immer lauter werden oder die Frau selbst das Gefühl bekommt, nur mit dem Ring am Finger ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Letzteres gilt übrigens auch für Männer.
Wenn eine Japanerin Mutter werden will – denn nur dann gilt sie als richtige Frau –, ist der Heiratsdruck umso größer. Denn nur zwei Prozent der Kinder kommen außerhalb der Ehe auf die Welt. Entsprechend bricht bei vielen Single-Frauen Anfang 30 der „kon-katsu sutoresu“ aus, der Stress bei der Suche nach einem Ehepartner. Der erste Teil des Kunstwortes „kon“ stammt vom Schriftzeichen fürs Heiraten, „katsu“ bedeutet Aktivität.
Im Vergleich zu Amerika oder Europa spielt das Internet eine relativ geringe Rolle. Viele Japanerinnen misstrauen dem Medium, fürchten, einem Verbrecher ins Netz zu gehen. Beliebter sind Kennenlernpartys. Die unkomplizierteste Variante ist die moderierte „gokon“, bei der sich eine gleiche Zahl Männer und Frauen trifft und sich über Drinks und Kennenlernspiele näher kommt. Wer sich mag, trifft sich wieder oder zieht gar direkt ins „love hotel“ weiter.
Deutlich ernsthafter sind „o-miai“, formelle Eheanbahnungstreffen. Sie sind vor allem auf dem Land weiter üblich, werden von angesehenen Seniorinnen oder Senioren eingeleitet, manchmal auch Eltern und Verwandten. Häufig entscheiden wenige Treffen über die gemeinsame Zukunft. Premierminister Shinzo Abe hat so seine Gattin Akie kennengelernt, wie viele Paare ihrer Generation.
Am erfolgversprechendsten soll jedoch eine neue Form des organisierten Kennenlernens sein, nämlich indem Menschen mit dem gleichen Hobby zusammengespannt werden („shumikon“). Über das gemeinsame Joggen rund um den Kaiserpalast in Tokio oder beim Zubereiten von Sushi Ellbogen an Ellbogen soll sich schon so manches Paar gefunden haben.
Sind beide Partner schon ein gutes Stück über 30 und finden sich ausreichend nett, dann kann es mit dem Heiraten fix gehen. Alles was es braucht ist eine Unterschrift unter einem Formular auf dem Amt. Ganz Eilige oder beruflich sehr Beschäftigte können ihre Heiratspapiere im Rathaus in Shinjuku sogar um Mitternacht abgeben.
Von Sophia Boddenberg, Santiago de Chile
Früher sind die Chileninnen im Park auf Partnersuche gegangen, heute ist das Internet zum Park geworden. In Lateinamerika belegen die Brasilianerinnen den ersten Platz beim Online-Dating, gleich gefolgt von den Chileninnen. 72 Prozent der Chileninnen finden es normal, im Internet auf Partnersuche zu gehen. Websites wie Mimediamanzana.cl, was übersetzt in etwa „meine andere Apfelhälfte“ bedeutet, erlangen zunehmende Beliebtheit. Datingchile.cl hat fast eine Millionen User. Bei jungen Frauen ist die Smartphone-App Tinder außerdem im Trend. Chile, Brasilien und Argentinien sind die drei Länder in Lateinamerika, in denen am häufigsten Tinder benutzt wird. Fast die Hälfte der chilenischen Paare zwischen 25 und 35 kommunizieren über Kurznachrichtendienste wie Whatsapp, Telegram, Viber oder Snapchat.
Ein typischer Ort um jemanden kennenzulernen, ist und bleibt die Bar oder der Club. Bei lateinamerikanischen Rhythmen wie Salsa, Cumbia, Bachata oder auch Reggaeton ist es unvermeidlich, sich näher zu kommen. In manchen Tanzclubs gibt es für Anfänger erst eine Tanzstunde und danach sucht sich jeder einen Partner aus zum Üben. Generell sind die Chileninnen eher zurückhaltend und warten darauf, dass die Männer den ersten Schritt machen.
Den Chileninnen wird mit einem Partner schnell langweilig. In Lateinamerika sind sie diejenigen Frauen, die am häufigsten fremdgehen. 15 Prozent haben ihren Partner bereits mehr als drei Mal betrogen. Im Verhältnis zu den Männern ist die Zahl aber gering. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass sowohl Frauen als auch Männer in Chile extrem eifersüchtig sind. Die Online-Partnerbörse für geheime Liebschaften Second Love ist vor allem bei verheirateten Chileninnen über 40 beliebt. Mehr als die Hälfte der weiblichen Nutzerinnen ist verheiratet und trifft sich mindestens ein Mal in der Woche mit dem Liebhaber. Untreue ist außerdem der Hauptgrund für Ehescheidungen.
Obwohl Chile stark katholisch geprägt ist, findet bei den jungen Menschen ein starker Wandel statt. Während täglich 100 Paare heiraten, lassen 170 sich scheiden. Fast die Hälfte der Chilenen über 15 sind Singles. Einer Studie zufolge ist die chilenische Durchschnitts-Singlefrau 42 Jahre alt, sucht einen 5 Jahre älteren Partner und hat Kinder aus einer früheren Beziehung. Viele Chileninnen bekommen jung Kinder und in der stark von Machismus geprägten chilenischen Gesellschaft ist es normal, dass die Kinder nach der Trennung bei der Mutter bleiben. Die Väter leben ihr sorgloses Junggesellenleben weiter. Sie trifft man dann bei Tinder oder im Club.
Von Veronika Eschbacher, Los Angeles
Vor zehn Jahren war Online-Dating in den USA mit einem Stigma verbunden. Es galt als eine Kennenlern-Art, die nur richtig verzweifelte Singles nutzen würden. Mittlerweile sagen fast zwei Drittel der Amerikaner, dass das Internet ein guter Ort ist, um einem Menschen näher zu kommen.
Eine Langzeitstudie des US-Soziologen Michael Rosenfeld zeigt, dass sich mittlerweile mehr als 20 Prozent der heterosexuellen Paare im Netz gefunden haben. Damit ist Online-Dating auf den dritten Platz vorgerückt. Die meisten Amerikanerinnen lernen ihren Partner weiterhin durch Freunde kennen (knapp unter 30 Prozent), gefolgt von Bars oder Restaurants (rund 28 Prozent). War es vor 60 Jahren für ein Viertel der US-Bürger noch die eigene Familie, die eine aktive Rolle bei der Partnersuche spielte, so ist dieser Anteil auf weniger als zehn Prozent gesunken. Und auch wenn es heute durchaus noch Amerikanerinnen und Amerikaner gibt, die nicht verheiratete Kollegen und Freunde in ihre Kirche mitnehmen, um dort einen Partner zu finden, haben Gotteshäuser als Ort der Partnersuche massiv eingebüßt – von rund 15 Prozent im Jahr 1940 auf heute unter zwei Prozent.
Mit der zunehmenden Bedeutung des Internets bei der Partnersuche ist laut Rosenfeld auch die Anzahl der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gestiegen, während sie bei heterosexuellen Paaren stagniert.
Beliebt sind in den USA weiterhin Matchmaker, Ehestifter. Die New Yorkerin Janis Spindel gilt als Ikone unter den amerikanischen Matchmakern, die – laut ihren eigenen Angaben – bereits mehr als 2000 Ehen eingefädelt hat. Sie verlangt dafür Preise bis zu einer halben Million Dollar. Ihre Anforderungen an Frauen, die von ihr vermittelt werden, sind aber teils haarsträubend: Sie müssen die 4 B’s haben – body, brain, beauty und balance. „Unsere Frauen sind flawless“, heißt es auf der Website, makellos also.