Erneut haben die Französinnen und Franzosen im Sommer die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spüren bekommen. Wasser ist fast überall knapp und wenn Stadtbewohner*innen wochenlang angesichts von Temperaturen um die 40 Grad Celsius ächzen, scheint die Apokalypse nah. Angesichts dieser Lage kann man verzweifeln – oder handeln, wie die Frauen, die wir getroffen haben.
Von Carolin Küter, Lyon
Emma Haziza: Die Beschützerin
Ihre Liebe zum Wasser entdeckte Emma Haziza als Mädchen. Mit ihrer Mutter zog sie von Paris in den Süden in die Pyrenäen und befand sich auf einmal umgeben von heißen Quellen und wilden Flüssen. „Damals habe ich das Universum des Wassers entdeckt und mir gesagt, eines Tages werde ich es verstehen“, sagt die 46-Jährige. Heute ist sie eine bekannte Wasserexpertin, Moderatorin einer Klimasendung im Radio und Gründerin von „Mayane“, einer Organisation, die Kommunen, Firmen und Haushalten dabei hilft, sich gegen Überschwemmungen zu schützen.
Was Haziza heute verstanden hat und nicht müde wird zu betonen: Der Wasserkreislauf ist durch den Klimawandel gestört. Denn je höher die Temperaturen, desto mehr Wasser verdunstet. Dadurch gelangt mehr Feuchtigkeit in die Atmosphäre, was diese zusätzlich erhitzt, wodurch wiederum mehr Wasser verdunstet und so weiter. Der Kreislauf wird zum Teufelskreis, der zu plötzlichen massiven Niederschlägen führt. Diese reichen angesichts der langen Trockenperioden jedoch nicht, um die Grundwasserspeicher aufzufüllen, warnt die Hydrologin: „Der sich erneuernde Wasserkreislauf ist ein Mythos.“
Gleichzeitig wird der Bedarf nach Wasser in Frankreich immer größer, denn das Land leidet unter extremer Hitze. 2022 war das heißeste Jahr und das zweittrockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen seit 1900. Noch nie war ein Winter so trocken wie der vergangene und der Sommer 2023 ging mit einer ungewöhnlich späten Hitzewelle zu Ende. Bereits im Februar erließen Kommunen in Südfrankreich Baustopps, weil sie fürchten, nicht mehr ausreichend Wasser für neue Bewohner*innen zu haben. In einigen Departements wird der Verbrauch von Polizeipatrouillen kontrolliert.
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Das Ziel: Städte hochwasserfest machen
Diese Entwicklung mache Angst, so Haziza. „Aber man muss mutig sein und sich fragen, wo man was tun kann.“ Sie kam als Doktorandin auf die Idee, in betroffenen Gebieten direkt zu helfen. Sie arbeitete für den Krisenstab der Regionalverwaltung im Département Herault bei Montpellier, als es dort schwere Überschwemmungen gab. Sie habe gesehen, dass einzelne Entscheidungen große Auswirkungen haben können. 2010 gründete Haziza dann „Mayane“.
Begonnen hat die Organisation damit, Kindern beizubringen, wie man Wasser sparen kann. Zudem half sie Kommunen, sich besser auf Überschwemmungen vorzubereiten und gab Bewohner*innen konkrete Tipps, etwa, wie man kleine Dämme vor Haustüren bauen kann. Das macht die Organisation, für die etwa 60 Menschen arbeiten, auch heute noch in größerem Stil. So habe „Mayane“ Städte wie Nimes, Cannes und Nantes dabei begleitet, sich hochwasserfest zu machen und berate auch Firmen. Finanziert werden diese Maßnahmen oft mit EU-Programmen, erklärt Haziza, ihre Organisation stellt das Expert*innenwissen.
Zudem gründete die Wissenschaftlerin das Start-Up „Mayane Labs“, das geographische und hydrologische Daten auswertet, um genau zu wissen, wie bestimmte Orte am besten geschützt werden können. Denn dass sich Frankreich auf noch extremere Wetterlagen vorbereiten müsse, das sei klar, so die Hydrologin. Eins bleibe dabei unerlässlich: Der Wasserverbrauch müsse drastisch reduziert werden. „Wenn wir das nicht verstehen, werden wir uns einen anderen Ort zum Leben suchen müssen, der nur schwer zu finden sein wird.“
Nathalie Boutet: Die Unternehmerin
Als Nathalie Boutet ihre Firma übernahm, hatte sie einen Burn-out hinter sich. 18 Jahre lang hatte die Ingenieurin zuvor beim Umwelt- und Recyclingunternehmen „Suez“ gearbeitet, am Ende fehlte ihr der Sinn. Im Laufe der Zeit verwandelte sich das Unternehmen in einen riesigen Börsenkonzern, es sei zunehmend darum gegangen, was Unternehmensberatungen für richtig hielten – nicht darum, was Mitarbeitende und Kund*innen wollten. „Das entsprach nicht meinen Werten“, so Boutet. „Ich habe mich gefragt, wie ich wieder Lust bekomme zu arbeiten.“
Die zündende Idee kam, als sie den Dokumentarfilm „Demain“ sah – auch als „Tomorrow“ bekannt – der Menschen vorstellt, die versuchen, Klima-, Wirtschafts- und Demokratiekrisen zu lösen. Besonders beeindruckt hat sie das Porträt von Emmanuel Druon. Dieser gilt als Paradebeispiel dafür, wie man ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich und ökologisch nachhaltig führen kann – und er hat seine Firma nicht selbst gegründet, sondern übernommen. „Das kann und will ich auch“, dachte sich die heute 47-Jährige.
2018 wurde sie Leiterin von „Ducaroy-Grange“, als das Lyoner Unternehmen eine Nachfolge suchte. Es stellt seit 80 Jahren Modelle her. Das können Miniatur-Schlösser für Museen sein oder Reproduktionen großer Maschinen, die Firmen bei Messen ausstellen. Auch Architekturbüros gehören zum Kundenstamm. Ihr sei schnell klar gewesen, dass ihre Vorstellung von gutem Arbeiten zu dem kleinen Unternehmen passe, so Boutet. „Das Wertvollste, was eine Firma hat, sind die Menschen, die dort arbeiten.“
Deswegen legt sie Wert darauf, dass die Modellbauer*innen alles von der Planung bis zur Herstellung über die Ablieferung bei den Auftraggeber*innen erledigen. So sei die Zufriedenheit über ein gelungenes Projekt größer. Zudem produzierten glückliche Angestellte gute Produkte und hielten das Unternehmen konkurrenzfähig. Die Strategie scheint aufzugehen: Die sieben Personen, die sie mit der Firma übernommen hat, sind alle noch da. Sechs weitere sind hinzugekommen.
Kleine Schritte können zum Umdenken bewegen
Damit das Unternehmen auf Dauer überlebt, ist es unabdingbar, nachhaltig zu wirtschaften. Denn was passiert, wenn Öl knapper und teurer wird? Boutet ließ vor ein paar Jahren den Emissionsausstoß von einer Agentur evaluieren. Danach erarbeiteten sie und ihre Angestellten einen Aktionsplan: Die Materialien zur Herstellung der Modelle werden, wenn möglich, recycelt eingekauft.
Die Stromversorgung wurde auf Biostrom umgestellt – im Atomland Frankreich ist das längst keine Selbstverständlichkeit. Zudem wird die Abwärme aus Räumen genutzt, die sich schnell aufheizen, weil dort große Maschinen stehen. Das Resultat: Das Unternehmen zog vor drei Jahren um und vergrößerte sich von 450 auf 640 Quadratmeter Fläche. Der Gasverbrauch ist genauso hoch wie vorher.
Eine Revolution ist das nicht, etwas bewirkt hat es doch. Die Firmenchefin berichtet von der Erfahrung mit einem Kunststofflieferanten. Dieser wollte partout kein Angebot für recycelte Ware machen, mit der Begründung, diese sei teurer und deswegen für das Unternehmen uninteressant. Erst als sie angekündigt habe, zur Konkurrenz zu gehen, habe der Lieferant reagiert. Ähnlich die Erfahrung mit ihrer Bank, so Boutet.
Auch Geldanlagen werden in CO2-Bilanzen mit eingerechnet, wenn damit klimaschädliche Investitionen finanziert werden. Sie habe ihre Bank gefragt, wie diese die Emissionen senken wolle. Das Geldhaus wollte mehr wissen. Mittlerweile hat die Bank sogar in die Agentur investiert, die die Klima-Bilanz für Ducaroy-Grange erstellte. Damals sei sie selbst überrascht gewesen sei, dass eine kleine Firma wie ihre etwas bewirken könne. Heute ist die Firmenchefin überzeugt: „Wir haben Einfluss.“
Clémentine Mossé: Die Überzeugerin
Mit Mitte 20 dachte sich Clémentine Mossé, dass es Zeit wird zu handeln. Seitdem sie als Kind mit ihren Eltern in den Alpen wandern war und begriff, was Gletscherschmelze ist, habe sie ein großes ökologisches Bewusstsein, sagt die 33-Jährige. Als Teenager begann sie Naturkosmetikprodukte im Internet zu bestellen. Große Shoppingtouren mache sie schon lange nicht mehr. Irgendwann sei ihr aufgefallen, dass es in ihrer Wahlheimat Lyon einige Läden gebe, die faire Mode und Kosmetik verkaufen. „Die hätten mehr Bekanntheit verdient“, dachte sie sich.
Warum nicht Menschen zusammenbringen, denen solche Dinge wichtig sind und darüber informieren? 2016, als sie noch als Ingenieurin im Verkehrswesen arbeitete, veranstaltete sie ein Treffen mit Gleichgesinnten unter dem Motto: Wie kann ich mich im Alltag ökologisch bewusster verhalten? Aus dieser Idee entstand ihre Organisation „The Greener Good“, eine Anlehnung an den englischen Ausdruck „the greater good“, zu Deutsch „zum Wohle aller“. Der höhere Zweck in diesem Fall ist nichts Geringeres als die Rettung des Planeten. Das Mittel: individuelle und lokale Aktionen.
Hoffen auf den Schneeballeffekt
Der Verein mit mittlerweile fünf Angestellten und rund 50 Ehrenamtlichen gibt einen fairen Einkaufsguide für Lyon heraus, in dem Kleiderboutiquen, Lebensmittel- und Secondhandläden sowie Reparaturwerkstätten für Fahrräder und Kinderwagen aufgelistet sind. Zudem organisiert er ein jährliches Festival mit Infoveranstaltungen zum Thema nachhaltige Geldanlage, Diskussionen über Öko-Feminismus und Workshops zu Themen wie „Wie finde ich einen ökologisch sinnvollen Job?“ Außerdem geben die Angestellten Kurse zum Thema CO2-Einsparen in Firmen und Bildungseinrichtungen.
„Wir versuchen aufzuklären, damit es einfacher ist, ins Handeln zu kommen“, so Mossé. Denn viele fragen sich, was wirklich etwas bringt im Kampf gegen den Klimawandel und was nicht: Im Unverpackt-Laden einkaufen, auf Flugreisen verzichten oder sich vegetarisch ernähren? Die Aktivistin räumt jedoch ein: Der Beitrag, den Verbraucher*innen im Kampf gegen die Erderwärmung leisten können, sei gering im Vergleich zu Staaten und Großkonzernen.
Ihre Organisation setzt auf den Schneeballeffekt – die Hoffnung, dass Menschen, die kleine Veränderungen in ihrem Alltag umsetzen, andere inspirieren oder aktiv werden, etwa indem sie in die Politik gehen. Gleichzeitig erkennt sie einen Bewusstseinswandel in Frankreich, und zwar sowohl auf lokaler Ebene (zum Beispiel die steigende Zahl von Car-Sharing-Angeboten), als auch auf nationaler Ebene. In ihrer Studienzeit sei der Klimawandel kein Thema gewesen. Heute sei sie Dozentin an Hochschulen für Ingenieur*innen. Mossé ist sich sicher, es bewege sich etwas.