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Bauch, Beine, Po
Frauen und Schönheitsideale

21. August 2019 | Von DEINE KORRESPONDENTIN
Mit Miederwäsche zur Idealfigur in Kolumbien. Foto: Katharina Wojczenko

Gelten schlanke Frauen in anderen Ländern der Welt eigentlich als schön – oder zählt da eher ein großer Hintern? Unsere Korrespondentinnen in Kolumbien, Peru und Irland haben intensiv recherchiert und Interessantes zusammengetragen. 

Katharina Wojczenko, Bogota

Wer seinen Hintern zu dick findet, wird sich in Kolumbien wie eine Göttin fühlen. Ein praller, runder Po ist Teil des kolumbianischen Schönheitsideals, ja der Latina-Frau an sich. Der auf Kurven fixierte Kult entstammt angeblich der Narco-Kultur der Drogenhändler aus den 80er Jahren. Demnach war in armen Viertel ein üppiger Busen die einzige Karrieremöglichkeit für Mädchen, sich einen reichen Drogenboss zu angeln. Der Druck auf die Frauen ist hoch. Natürlichkeit ist wenig gefragt.

Kolumbianerinnen sind Meisterinnen darin, ihr Gesicht mit Make-Up zuzuspachteln. Dazu knalliger Lippenstift in Pink und Rot. Selbst die Guerilla-Kämpferinnen der Farc hatten im Dschungel Anspruch auf Schminke. Maniküre und Pediküre sind Pflicht, gerne mit Kunstnägeln und Glitzersteinchen. Die Besuche in entsprechenden Salons können sich selbst weniger Betuchte leisten. Wer ohne Sport seinen Körper in Form bringen will, quetscht ihn in die sogenannten „Fajas“, einer breiten Palette an Miederkleidung für Frau und Mann.

Kolumbien ist ein Land der Schönheitswettbewerbe, wobei die Frauen aus dem Bruderstaat Venezuela international bei den Miss-Wahlen noch erfolgreicher sind. Schon Babys werden von ihren Eltern wie Prinzessinnen ausstaffiert und bekommen Ohrringe. Die erste Schönheits-OP gibt es oft zum 15. Geburtstag. Weltweit ist Kolumbien bei Schönheitsoperationen auf Platz vier nach den USA, Brasilien und Mexiko laut der aktuellsten Statistik der Internationalen Gesellschaft für Plastisch-Ästhetische Chirurgie (ISAPS). Knapp 350.000 Eingriffe wurden im Jahr 2017 durchgeführt – wobei 26 Prozent auf Schönheitstourist*innen entfallen, ein boomender Wirtschaftszweig speziell in Medellín. Die Frauen dort gelten als die Schönsten im Land.

Wie überall in der Welt waren in Kolumbien die beiden häufigsten Eingriffe Fettabsaugung und Brustvergrößerung. Im Unterschied zum Rest der Welt folgen dann aber Bauchdeckenstraffung, Po-Vergrößerung und Lidstraffung. Schönheit liegt offenbar auch im Verborgenen: 2017 stieg die plastische Vaginalchirurgie um 23 Prozent an. Bei Schamlippen-Optimierung und Vaginalverjüngung ist Kolumbien mit weitem Abstand Weltmeister. Die Kehrseite: Von dem weltweiten Skandal um defekte und krebserregende Implantate des französischen Unternehmens Poly Implant Prothese (PIP) sollen allein in Kolumbien mehr als 35.000 Frauen betroffen sein.

Eine Fettabsaugung für eine normaldicke Frau kostet rund 1.500 Euro und damit zwei Akademiker-Monatsgehälter. Weil das in Kolumbien viel Geld ist, gehen viele Frauen zu Allgemeinmediziner*innen, Frisör*innen oder Masseur*innen, die Ästhetik-Kurse belegt haben und illegal operieren. Das Risiko ist hoch, genauso wie bei den illegalen Abnehmpillen, die über das Internet und Soziale Medien vertrieben werden. Deshalb ist es keine Seltenheit, dass junge Frauen mit Nieren- oder Leberversagen in der Notaufnahme landen oder gar sterben.

Ein eigenes Kapitel gilt den Haaren. Lang und glatt ist das dominante Ideal, was in einem Land mit vielfältigen ethnischen Wurzeln den Absatz von Glätteisen und chemischen Produkten in die Höhe treibt. Für afrokolumbianische Frauen ist es fast schon ein politisches Statement, wenn sie zu ihrer Naturkrause stehen. Für Aufsehen sorgte Ende 2018 die Nachrichtensprecherin Mábel Lara, die nach Jahren des Glättens vor jedem Auftritt die Nase voll hatte und sich von dieser „Sklaverei“ befreien wollte. Die einen feierten sie, die anderen nannten ihren natürlichen Look „vulgär“. Lara sagt dazu: „Ich glaube, dass man mit kleinen Aktionen große Schlachten gewinnen kann. Wenn ein Mädchen mich sieht und sagt ‚Sie ist wie ich, ich werde mir nicht mehr die Haare glätten‘, dann ist das für mich ein Triumph.“


Eva Tempelmann, Lima

Auch in Peru, dem Nachbarland Kolumbiens, dominieren Kurven das Schönheitsideal. Ein runder Po und große Brüste gelten als weiblich und attraktiv. Mit abgemagerten Models können die meisten Menschen wenig anfangen. Schönheitsoperationen gibt es trotzdem, denn einen mittelgroßen Po und mittelgroße Brüste kann man ja noch größer machen. Die Eingriffe haben jedoch ihren Preis und so können sich diese fast nur Frauen aus der Oberschicht leisten. Auch an Lippen (voller) und Falten (weniger) wird gerne herumgewerkelt.

Weniger kostspielig sind Besuche in einfachen Beauty-Salons, die einen Rundum-Service aus Frisör, Pediküre und Maniküre anbieten. Hier gehen viele Frauen ein bis zweimal in der Woche vorbei, lassen sich die Haare glätten, schneiden, pflegen und die Fingernägel verlängern, bemalen, verzieren. Letztere werden mit filigranen Mustern oft zu wahren Kunstwerken gemacht. 

Generell werden helle Haut und helle Haare sehr bewundert. Auf sämtlichen Werbetafeln und im Fernsehen sind es hellhäutige und hellhaarige Frauen, die das Gesicht des Landes repräsentieren, obwohl die Durchschnittsperuanerin sehr viel dunklere Haut und dunkle Haare hat. Da hat der Kolonialismus und der mit ihm verbundene Rassismus, der nach Hautfarben klassifiziert und wertet, seine tiefen Spuren hinterlassen. Bis heute hat Peru eine Klassengesellschaft, die nach Hautfarben und Herkunft unterscheidet. Je heller die Haut, desto einflussreicher und privilegierter ist man.

Dabei hat das Andenland, das der peruanische Schriftsteller José Maria Arguedas einmal als „Land aller Rassen“ bezeichnete, so vielfältige Gesichter – afroperuanische, chinesische, indigene aus dem Hochland und dem Regenwald, um nur einige zu nennen – das es völlig verrückt erscheint, sich auf ein Schönheitsideal zu versteifen. Apropos Regenwald: weit entfernt von der Hauptstadt des Landes, in dem sich vieles an den USA und Europa orientiert, wird in den entlegenen Siedlungen der indigenen Ashaninka, Shipibo oder Yanesha Schönheit völlig anders interpretiert: mit aufwendigen Gesichtsbemalungen aus roten Samen, durchbohrten Ohrläppchen, beachtlichem Feder- und Perlenschmuck. Körperform? Nicht so wichtig. Hautfarbe: egal.


Mareike Graepel, Dublin

Schönheitsideale und Beauty-Trends sind auf der Grünen Insel große Themen, aber die wilde Schönheit mit den roten Locken, grünen Augen, Sommersprossen und einem groben Strickpulli mit Zopfmuster existiert nur in der Werbung der Tourismusbranche. Nur zehn Prozent der Ir*innen haben rote Haare – in Großbritannien sind es 40 Prozent – dun der „Rotschopf“ gilt nicht als schick.

Beim Thema Natürlichkeit gibt es in Irland zwei Lager: Die einen setzen auf elegant-schlichtes Styling und qualitativ hochwertige Make-Up- und Reinigungsprodukte, ordentlich gezupfte Augenbrauen und dezentes Botox. Botox kommt übrigens nicht aus Kalifornien sondern in den meisten Fällen aus dem malerischen irischen Städtchen Westport im County Mayo, von wo aus in den vergangenen drei Jahren Botox im Wert von über vier Milliarden Euro in die ganze Welt verkauft wurde.

Das andere Lager versucht hingegen, die typisch helle irische Haut zu überdecken und benutzt Selbstbräuner. Laut Sonia Deasy, Chefin einer Hautpflege-Firma, benutzen fast die Hälfte der irischen Frauen regelmäßig „fake tan“. Selbstbräuner gibt es im Übrigen überall zu kaufen, auch in Supermärkten und an der Kasse. Gleichzeitig greifen die Irinnen gerne zu Natur-Pflegeprodukten wie Gerste oder Hafer. In letzter Zeit werden zudem Meeresalgen immer beliebter.

In manchen Städten gibt es sogar eigene Salons mit Algenbädern. Zuhause werden Algen mit Jogurt oder Wasser gemischt und als Gesichtsmaske benutzt. Die Pflanzen sollen laut Packungsbeilage die Durchblutung fördern und die Haut beruhigen. 2016 gab eine weltweite Studie vielen Ir*innen zu denken: Demnach wird der Adipositasgrad bei Frauen in Irland bis 2025 der zweithöchste in Europa sein, gleich hinter dem Vereinigten Königreich. Seitdem ist das Interesse an körperlicher Fitness, gesunder Ernährung und regelmäßigem Sport kontinuierlich angestiegen.

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Eva CasperKyoto
Umeko Tsuda ziert den neuen 5.000 Yen-Schein in Japan, umgerechnet 31 Euro. Die Pädagogin setzte sich im 19. Jahrhundert gegen große Widerstände für eine bessere Bildung von Mädchen und Frauen ein. Diese hatten damals kaum Rechte und Möglichkeiten, frei zu leben.

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