Die ukrainische Hafenstadt Mariupol ist 20 Kilometer von der Front entfernt: Ausgerechnet hier sorgen junge Frauen für Veränderung – auch gegen den Widerstand ukrainischer Rechtsradikaler.
Von Inga Pylypchuk, Mariupol
Vira Protskih geht die Allee des Friedens entlang, die Hauptstraße der ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Auf ihrem T-Shirt steht in schwarzen Buchstaben „Girl Power“. Die 21-Jährige hat gerade ihren Bachelor als Englischlehrerin abgeschlossen. Ihren Master würde sie am liebsten in Schweden machen, in Gender Studies.
Vira gehört zu der Generation junger Frauen in der Ukraine, die Begriffe wie „Sexismus“ und „Diskriminierung“ selbstverständlich im Alltag gebrauchen. Vira bezeichnet sich stolz als Feministin. Sie informiert sich über Youtube und soziale Netzwerke über feministische Theorien. Wo immer sie ist, spricht sie Frauen auf dieses Thema an. Ihre besten Freundinnen Stasja (21) und Victoria (22) haben sich von Viras Enthusiasmus anstecken lassen.
Doch es ist nicht einfach für eine Frauenrechtsaktivistin in einer Stadt, die nur 20 Kilometer von der Front entfernt ist. Im Osten der Ukraine kämpft die ukrainische Armee gegen die sogenannten prorussischen Separatisten, die von Russland mit Geld und Kämpfern unterstützt werden. Laut Schätzungen einheimischer Aktivisten sind etwa 15.000 ukrainische Soldaten im Militärsektor „Mariupol“ stationiert. Auch in der Stadt selbst ist die Militärpräsenz groß, oft trifft man Menschen in Militäruniform, meistens Männer.
Der Krieg bestimmt auch die Themen junger Menschen. „Oft muss ich mir anhören, es sei gerade nicht die richtige Zeit, um über Luxusprobleme wie Feminismus nachzudenken. Bleib lieber zu Hause, heirate und kriege Kinder, sagen viele“, erzählt Vira. „Wann aber werden wir um unsere Rechte kämpfen, wenn nicht jetzt?“, fügt sie hinzu.
Es bleibt nicht immer bei verbalen Vorwürfen. Im Frühling, als Vira zusammen mit Freunden an einer Aktion gegen „Sexuelle Objektivierung von Frauen in der Werbung“ teilnahm, wurde ihre Gruppe von ukrainischen Rechtsradikalen angegriffen. Einige von ihnen stammten aus der „Bürgervereinigung beim Regiment Asow“. Sie zerrissen Plakate und verprügelten einen zufällig anwesenden Unbeteiligten. Aus Angst meldete er den Vorfall nicht bei der Polizei. Offensichtlich hatten die Rechtsradikalen die Aktivisten attackiert, weil sie annahmen, Vira und ihre Freunde demonstrierten für die Homo-Ehe.
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